Notizen zum Kino # 7: Drittes Gespräch

Wer hat die Hoheit über das Wort?
Drittes Gespräch im Filmhaus am Potsdamer Platz am 16. 12. 2010

Hanns-Georg Rodek (Die Welt) diskutiert mit Patricia Bauermeister (Das Pressebüro Berlin), Celina von der Lancken (Nisha Actor’s PR) und Thomas Abeltshauser (Berliner Morgenpost, Stuttgarter Nachrichten, ray) über die aktuellen Bedingungen, unter denen Interviews stattfinden. 

 

Hanns-Georg Rodek  Patricia kann sich noch an die Zeit erinnern, als Interviews noch nicht am Fließband stattfanden. Wie ist das damals abgelaufen?

Patricia Bauermeister Es waren weniger Filme. Damals habe ich in erster Linie europäische und deutsche Filme betreut. Da hatte man einfach mehr Zeit.

Celina von der Lancken  Ich mag die Zehn-Minuten-Slots, die sich heute eingebürgert haben, auch nicht. Dann muss man ein Interview führen, das man nicht wirklich führen kann. Zehn Minuten sind eigentlich die Aufwärmphase.

Hanns-Georg Rodek  Natürlich gibt es auch längere. Aber bleiben wir mal kurz bei den zehn Minuten. Worin besteht die Technik, daraus etwas Maximales herauszuholen?

Thomas Abeltshauser  Ich habe keine Ahnung. Ich mache keine Zehn-Minuten-Interviews.

Hanns-Georg Rodek  Gut, ich erhöhe auf 20.

Thomas Abeltshauser  Man überlegt sich herausfordernde Fragen, die über das hinausgehen, was schon im Presseheft steht und versucht, Aussagen heraus zu kitzeln, die mehr sind als das Sprechen über die Rolle oder über den Filminhalt. Das ist erstens schwierig, wenn man dieses enge Zeitfenster hat und wenn man zweitens jemanden vor sich hat, der diese Zeitfenster an diesem Tag schon 15 Mal hinter sich gebracht hat. Das ist eine Herausforderung. Ich finde aber, dass es bei deutschen Filmen nicht so schwierig ist, wie bei internationalen Produktionen. Auf der anderen Seite habe ich oft den Eindruck, dass deutsche Schauspieler und Schauspielerinnen nicht ganz so trainiert sind in dieser Art Gespräch zu führen wie jemand aus Hollywood. Und es deshalb auch etwas zäher ist und man längere Anlaufzeiten braucht.

Patricia Bauermeister  Ich bin sehr dafür, dass die Interviews wieder länger werden. Ich glaube, man bekommt dann bessere Interviews, was letztlich die Wahrnehmung des Films erhöht. Es ist halt anders. Die Schauspieler und Regisseure machen eine Tour und haben in jeder Stadt einen Tag zur Verfügung. Da liegt es an uns, vorzuschlagen was das Beste ist. Wir versuchen, möglichst lange Einzelgespräche zu ermöglichen. Es hängt natürlich auch vom Film ab. Aber das ist mit den Studios fast nicht machbar.

Hanns-Georg Rodek Wir haben ja eine Situation, wo die Nachfrage die zur Verfügung stehende Interview-Zeit übersteigt. Welche Methoden und Strategien gibt es auf Seiten der Verleiher und Agenten, damit zurechtzukommen?

Patricia Bauermeister  Leider zu wenige. Ich finde, die Interviewkultur muss erhalten bleiben und dafür muss mehr Zeit eingerechnet werden. Ich probiere das auch immer wieder, aber es stößt auf Seite der Studios nicht immer auf Verständnis. Wir kämpfen wirklich um zehn Minuten mehr. Ich finde nicht, dass 20 Minuten reichen, aber im Moment ist keine Verbesserung in Sicht. Je größer die Interview-Touren werden, desto enger wird der Zeitplan. Man müsste es mal ausprobieren: Wenn viele wichtige Journalisten sagen, unter einer vernünftigen Länge machen wir es nicht, könnte man da einen Schritt weiterkommen.

Hanns- Georg Rodek  Beschränken wir uns also auf das, auf das wir noch Einfluss nehmen können – also nicht die weltweiten Strategien, nach denen Interviews mit Tom Cruise der Scarlett Johansson zugewiesen werden – und reden von deutschen Produktionen und deutschen Interviewpartnern. Auch hier, denke ich, geht die Nachfrage hinaus über das, was die Produktionsseite bereit ist, zuzugestehen. An welcher Stellschraube dreht man: Reduziert man die Interviewzeit oder legt man bereits vorher vertraglich fest, dass sie nicht nur an einem Tag für Interviews zur Verfügung stehen?

Celina von der Lancken  In jedem Vertrag von Schauspielern steht ein Passus, dass sie für eine angemessene Zeit für Pressearbeit zur Verfügung stehen müssen. Das kann viel heißen. Es hängt oft damit zusammen, ob sie schon wieder in einer neuen Produktion sind, was im Vorfeld nicht immer absehbar ist. Dann ist es meine Aufgabe, mit der neuen Produktion zu verhandeln, damit man sie frei bekommt. Dann kommt der Punkt, an dem man sich überlegen muss: Gibt man viele Interviews oder gibt man vernünftige Interviews mit Medien, die zum Film passen?

Patricia Bauermeister  Natürlich hängt es vom Film ab, welchen Schwerpunkt man setzt. Bei manchen Filmen ist das dann wirklich die Yellow Press. Wir schlagen als Pressebetreuer dem Verleih ja schon vor, was wir für wichtig halten. Aber das entscheiden ganz viele Leute, auch der Produzent. Unsere Aufgabe ist es, die Verleiher zu überzeugen, dass man mal ein Essen macht, wo man zwei Stunden reden kann oder in einen Radiosender geht, wo der Künstler dann in einer Sendung eine Stunde spricht. Oft gelingt das auch.

Thomas Abeltshauser  Das gibt es zwar auch noch. Aber die Tendenz ist eher, Fließbandtage zu organisieren. Roundtables sind keine Seltenheit.

Patricia Bauermeister  Wobei immer Einzeltermine dabei sind. Darum bemühen wir uns schon.

Thomas Abeltshauser  Ich bin noch nicht so lange im Geschäft, zwölf Jahre. Aber ich habe den Eindruck, dass es zu Beginn meiner Arbeit noch gar keine Roundtables zu deutschen Produktionen gab. Das ist ein Phänomen der letzten Jahre.

 

Patricia Bauermeister Es gibt auch viel mehr Medien, im Online-Bereich und anderswo. Vor zwanzig Jahren hatten wir weniger Medien, die wir bedienen müssen.

Hanns-Georg Rodek  Ich möchte mal eine Utopie anbringen. Der momentane Zustand ist, dass es immer einen Anlass gibt. Das ist ein neuer Film. Dazu werden Interviews erfragt, angeboten und in der entsprechenden Hetze geführt. Auf journalistischer Ebene würden wir uns sehr gern vorstellen, dass man auch einmal keinen Anlass hat. Ich sehe eine zunehmende Unlust – in meinem Verlag, aber ich höre es auch aus anderen -, alles immer im Rudel zu machen, in einem Zeitkorridor von zwei Wochen.

Patricia Bauermeister Ich betreue ja keine Talente. Ich werde bezahlt von einem Verleih. Es ist also gar nicht in meinem Interesse, über das Jahr verteilt Interviews zu vermitteln. Dann wird es zum Start auch schwierig, noch einmal eines unterzubringen.

Celina von Der Lancken  Meine Klienten geben selten zwischendurch Interviews. Aber ich merke mir Anfragen vor, wenn sie nicht verfügbar sind. Das kommt auch ganz auf das Medium an. Wenn ich Interviews ohne Filmstart anbiete, bekomme ich allerdings von Journalisten oft zu hören: Ich brauche einen Aufhänger, wo steckt da die Story?

Patricia Bauermeister Ich will noch etwas anderes ansprechen, das mir immer ein bisschen auf der Seele liegt: Die Regisseure, Produzenten, und Schauspieler gehen ins Risiko. Sie müssen damit rechnen, dass sie kritisiert werden. Journalisten hingegen tragen kein Risiko. Sie beurteilen, sie entscheiden darüber, wie der Leser einen Film aufnimmt. Da vermisse ich manchmal den respektvollen Umgang mit, dem was die Filmemacher geleistet haben.  

Hanns-Georg Rodek Die Mehrheit der Kollegen bringt durchaus Respekt entgegen, wenn der Film dementsprechend ist, er ihn verdient.  

Patricia Bauermeister Ich finde, man muss jeder Arbeit Respekt entgegenbringen. Egal, ob sie die erhoffte Qualität besitzt. Einen Film zu machen, ist ein ganz langer Prozess, der wahnsinnig viel Arbeit bedeutet. Und letztlich leben die Journalisten auch davon.

Thomas Abeltshauser Ist dieser vermeintlich mangelnde Respekt denn der Grund, weshalb wir Journalisten dann mit Gegenlesevereinbarungen konfrontiert werden?

Celina von der Lancken  Ich schicke in meiner Agentur solche Vereinbarungen an Journalisten, weil ich in den letzten Jahren viele schlechte Erfahrungen gemacht habe. Ich merke, dass verstärkt Praktikanten und nicht erfahrene Journalisten zu Interviews geschickt werden, vor allem in der Fernsehbranche. Manchmal sind die erstaunlich gut. Aber die Qualität der Interviews hat insgesamt abgenommen. Ich bekomme sehr oft Interviews zugeschickt, deren Satzbau und Rechtschreibung so gestaltet sind, dass man die Antworten teilweise gar nicht versteht. Oder die Antworten werden zerstückelt, zu einer anderen Frage gepackt, obwohl sie da gar nicht hingehören. Mir geht es gar nicht so sehr um Kontrolle. Wenn ein Schauspieler in einem Interview sitzt, kann es passieren, dass er missverstanden wird. Ich finde, jeder Schauspieler sollte das Recht haben, zu überprüfen, ob er richtig wiedergegeben wird. Ich finde nicht, dass Gegenlese-Vereinbarungen dazu dienen sollten, ein Interview umzuschreiben, weil man plötzlich seine Meinung geändert hat. Wenn im Interview wirklich steht, was der Interviewer gehört hat, bin ich heilfroh, weil ich dann nicht viel Arbeit habe. Manchmal sitze ich auch dabei undstelle beim Lesen der Interviews fest, so wurde das aber nicht gesagt. Oft wird ein persönliches Bild des Journalisten eingeflochten. Es ist für mich andererseits auch keine journalistische Form, wenn das Gesprochene nur niedergeschrieben wird. Es geht ja auch darum, das Gesprochene in eine gute Schriftsprache zu bringen.

Thomas Abeltshauser  Finde ich nicht.

Celina von der Lancken Es gibt ja immer wieder Situationen, wo im Schlagabtausch Dinge gesagt werden, die auf dem Papier dann so nicht funktionieren. Wenn es ein Lachen am Ende einer Antwort gibt und das nicht erwähnt wird, gibt ihr das eine komplett andere Konnotation.  Deshalb bin ich für die Vereinbarungen. Ich gebe bedingt zu, dass es zur Mode geworden ist. Aber das liegt teilweise wirklich an schlechten Erfahrungen. Bei mir ist es so, dass ich das immer mit dem Schauspieler zusammen durchgehe. Es ist nie allein meine eigene Entscheidung. Was dieser Entwicklung auch zuträglich war, ist das unglaubliche Explodieren der Internet- und Boulevard-Medien. Da ist eine große Oberflächlichkeit entstanden. Ich habe oft fünf Journalisten aus einem Verlag, die mit dieser einen Person ein Interview führen wollen. Und jeder wartet auf einen Satz, aus dem man eine Schlagzeile machen kann. Diese Sätze sind im Internet immer greifbar: Einmal gesagt, ewig damit konfrontiert.

Hanns-Georg Rodek  Ich habe das Gefühl, dass die Relationen nicht stimmen. Wenn ich mir vorzustellen versuche, welchen Prozentsatz diese Negativbeispiele ausmachen, bin ich nicht der Meinung, dass das mehr als eine Minderheit ist. Wir sträuben uns auch aus folgendem Grund. Es kommt mir so vor, als würde jeder, der in einen Juwelengeschäft geht, am Eingang nach seinem Personalausweis gefragt. Der Name wird notiert, denn er könnte ja etwas stehlen. Das heißt: Ganz normale Kunden werden unter Generalverdacht gestellt. Das ist keine Basis, auf der man normalerweise miteinander verkehrt. Ich würde in ein solches Geschäft nie mehr hereingehen.

Celina von der Lancken  Das kann ich durchaus nachvollziehen. Aber ich denke, es hängt generell mit der Entwicklung der Interviews zusammen. Wenn ich unter meinen Klienten nur einmal Alexandra Maria Lara, Susanne Lothar oder Misel Maticevic nehme, die viel Kino machen:  Da stelle ich fest, dass ich leider immer weniger Interviewanfragen von Medien bekomme, in denen ich den Film gern sehen würde, sondern fast nur von Bunte, Gala und anderen Boulevardblättern. Diese Medien interessieren sich nicht dafür, wie der Film ist, sondern versuchen nur, persönliche Geheimnisse herauszufinden und irgendwelche Leichen im Keller zu entdecken. Die Journalisten sind rhetorisch teilweise so gut geschult, dass die Schauspieler dann wirklich Privates erzählen. Das ist denn natürlich der Super-GAU, wenn man als PR-Frau dabei sitzt und sich denkt: Hm, das hätte sie sich aber früher überlegen sollen, ob sie das nun sagt. Da ziehe ich den Weg vor, nachher noch einmal mit dem Journalisten zu sprechen, um eine Lösung zu finden.

Thomas Abeltshauser Umgekehrt kann man sich aber auch fragen, ob es sinnvoll ist, anhand negativer Beispiele aus der Yellow Press einen Generalverdacht auszusprechen?

Celina von Der Lancken Nein.

Hanns-Georg Rodek  Er ist in dem Moment da, wo unterschrieben werden muss.

Celina von der Lancken  Es gibt durchaus Situationen, wo das nicht sein muss. Es gibt auch Fälle, wo ich mit dem Schauspieler oder der Schauspielerin noch einmal rede: Das ist ein guter Journalist, bist Du einverstanden, dass wir darauf verzichten? Ich bestehe ja nicht darauf, es ist letztlich eine Entscheidung des Schauspielers.

Hanns-Georg Rodek  Was würden denn die Verleih-Firmen sagen, wenn zusehends weniger Interviews wegen der Gegenlesekontroverse geführt werden?

Patricia Bauermeister  Ich weiß es nicht. Das würde vielleicht ein Gespräch mit den PR-Agenten bedeuten.

Hanns-Georg Rodek  Gehen wir jetzt einmal für einen Moment weg von den deutschen Talenten. Bei wie vielen Interviews mit ausländischen Talenten mussten Sie diese bisher zum Gegenlesen vorlegen?

Thomas Abeltshauser  Bei keinem einzigen.

Patricia Bauermeister  Das hat einen ganz einfachen Grund: Die Agenten aus den USA sind nicht so sehr an dem interessiert, was in Europa geschrieben wird.

Thomas Abeltshauser  Gegenlese-Vereinbarungen gibt es in England und den USA auch nicht.

Patricia Bauermeister  Doch, da wird schon gegengelesen.

Hanns-Georg Rodek  Ich habe mich in den letzten Monaten erkundigt: Es wird extrem wenig gegen gelesen. Das ist in keiner Weise zu vergleichen mit der Seuche in Deutschland. Wenn es darum geht, dass ein Image eines Schauspielers oder Regisseurs nicht geschädigt wird, dann ist bei unserer weltweiten Vernetztheit auch etwas imageschädigend, was ein Amerikaner in Thailand oder ein Engländer in Deutschland sagt. Wenn die Agenten so besorgt um das Image ihres Klienten sind, müssten sie es auch anderswo kontrollieren. Warum herrscht diese Angst nur in Deutschland?

Patricia von Bauermeister  Das ist die Angst vorm Risiko. Alle möchten, dass der Film gut läuft und wollen ihn deshalb schützen.

Hanns-Georg Rodek  Das Wesen des Deutschen ist also kontrollierender?

Celina von der Lancken  Ich glaube, da spielt auch noch ein anderer Punkt herein: Deutsche und europäische Schauspieler und Filme funktionieren anders als amerikanische. Dort gibt es ja diese famosen PR-Coachings, wo Schauspieler in ungeheurer Perfektion lernen, möglichst schwammig und ohne Aussage auf Interviewfragen zu antworten. Da wird vorher auch ganz klar angesagt: Keine privaten Fragen! Wenn die dennoch kommen, wird sofort aus dem Hintergrund interveniert. Da hat man gar nicht die Möglichkeit, Fragen zu stellen wie in Deutschland. Wenn mich jetzt eine junge Schauspielerin in der Agentur fragt, hältst Du ein Interview-Coaching für sinnvoll, sage ich immer nein. Weil ich Angst habe, dass die Leute ihre Persönlichkeit im Interview verlieren. Ich finde ein Interview immer dann gut ist, wenn es über das allgemein Bekannte hinaus geht.

Thomas Abeltshauser  Das Ergebnis dieser Art von Gespräch ist meist nicht so, wie Sie es beschrieben haben, sondern die sind oft sehr gehemmt und gekünstelt. Bei  Nachwuchsschauspielern erlebt man sehr oft ein inhaltsfreies Reden darüber, wie man Zugang zu der Rolle bekommen hat. Das ist für den Leser nicht so wahnsinnig interessant. Da würde ich dann doch den Star vorziehen, der ein Interview-Training hinter sich hat, vielleicht auch in Blasen redet, aber dies zumindest witzig und unterhaltsam tut und mitunter durchaus auch aus der Reserve gelockt werden kann. Dass ein Agent im Hintergrund sitzt und Einfluss nimmt, gibt es im internationalen Bereich kaum. Gespräche mit deutschen Schauspielern, wo jemand mit dabei sitzt, würde ich auch nicht machen. Ein Gespräch findet mit dem Künstler statt, nicht mit seinem Agenten.

Celina von der Lancken  Richtig, es passiert auch selten. Ich bin der Ansicht, alle in meiner Agentur sind erwachsen, die wissen schon selbst, was sie sagen. Sonst möchte ich sie auch nicht unter Vertrag haben. Von einer 18jährigen Schauspielerin, die ihre erste Kinorolle spielt, kann man nicht Bomben-Antworten erwarten. Die haben vielleicht auch etwas Sympathie verdient, weil sie noch nicht verkorkst und arrogant sind. Klar sind die aufgeregt, funktionieren auch nicht optimal. Aber das ist ja auch ein Lernprozess, den jeder Schauspieler durchlaufen sollte. Ich gehe oft Fernsehinterviews mit meinen Klienten durch, weil ihnen aufgrund der Aufregung ihre Körperhaltung nicht bewusst ist. Aber das sollte ein natürlicher Prozess.  

Thomas Abeltshauser  Dann frage ich Sie: Wenn wir schon als Nachwuchstrainer bei Interviews missbraucht werden, sollen wir dann auch noch bestraft werden, wenn da Quatsch gesagt wird, in dem wir einen Vertrag unterschrieben müssen, der reguliert, was in die Öffentlichkeit gelangt?   

Celina von der Lancken  Ich würde ich mich normalerweise nicht einmischen. Aber wenn der Inhalt eines Interviews total verfremdet wird, sodass es überhaupt nichts mehr mit dem Film zu tun hat, dann beschwere ich mich.

Hanns-Georg Rodek  Man hört immer öfter die Horrormeldungen, dass die Agenten der Künstler nicht nur gegenlesen wollen, sondern auch die Bilder, Überschriften  und Bildunterschriften vorgelegt bekommen und am liebsten noch den Zeitpunkt der Veröffentlichung bestimmen möchten. Wo verläuft denn für Sie die Grenze der anständigen Einflussnahme?

Celina von der Lancken  Diese Dinge liegen natürlich in der Entscheidung der Verlage. Manchmal wünschte ich mir allerdings, man würde nicht immer uralte Fotos aussuchen, aber das ist für die Verlage vielleicht auch eine Kostenfrage. Bei Bildunterschriften habe ich mich noch nie eingemischt, bei Überschriften auch nicht. Ich überlege allerdings beim Lesen manchmal, welcher Satz dann zur Überschrift werden könnte. Ich schärfe meinen Schauspielern ein: Wenn ihr zu einem Interview mit einem Boulevardmedium geht, vergesst nicht, dass jeder Satz eine Überschrift sein könnte. 

Hanns-Georg Rodek  Wir denken seit einiger Zeit darüber nach, dass wir nicht mehr bereit sind, mit den schwarzen Schafen – egal, ob sie nun drei, 10 oder 20 Prozent ausmachen – verhaftet zu werden. Konkret: Ich führe und nehme als Redakteur keine Gegenlese-pflichtigen Interviews mehr. Ich empfehle das auch jedem Kollegen, mit dem ich darüber rede.

Celina von der Lancken Das finde ich eigentlich auch richtig. Wenn ich den Journalisten kenne und das Vertrauen da ist, kann ich damit auch durchaus leben. Aber ich arbeite letztlich im Interesse der Schauspieler, die ich vertrete. Es  hängt vom Medium und vom Journalisten ab. Ich habe selten, eigentlich nie, eine Enttäuschung erlebt, wenn das Journalisten sind, die ihren Anspruch hochhalten. Je häufiger das passiert, desto eher sind die Schauspieler bereit dazu.

Thomas Abeltshauser  Diese kategorische Ablehnung können Sie aufrechterhalten, weil Sie als festangestellter Redakteur in einer sehr komfortablen Position sind. Als Freischaffender kann man sich das schwer erlauben, weil dann zwei Dutzend Kollegen hinter einem stehen, die das Interview übernehmen. Ich finde das sehr löblich und ich weiß, dass es auch andere Qualitätszeitungen tun. Da müsste man sich überlegen, wie man mit den Freien umgeht, sowohl von Seiten der Redaktionen wie der betreuenden Film-PR-Agenturen. Es gibt viele Agenten, die sich auf eine neutrale Position zurückziehen.

Patricia Bauermeister  Das Vermitteln wird schwer, wenn sich die beiden Seiten weigern, einzulenken. Wir können dann die Journalisten sozusagen nur in zwei Kasten aufteilen: Die, denen wir vertrauen und die, denen wir nicht vertrauen.  

Hanns-Georg Rodek  Ich habe eine Maximalposition vertreten, weil mir eine Maximalposition entgegenkommt, eine Zunahme der Vereinbarungen. Ich bin durchaus in der Lage, mich in Grauzonen zu bewegen. Es ist auch ein Versuch, ein Denken zu beeinflussen. Ich möchte aus meiner Position heraus wirken. Es gibt Kompromisse, die man ausprobieren kann. Da sind wir beim Vertrauen. Ich lasse zu, dass das Interview gelesen werden kann. Ich schicke es dann aber unter der Maßgabe, dass bei Konfliktfällen im Zweifel meine Version in der Zeitung stehen wird.

© VDFK 2011

zurück zum Inhaltsverzeichnis