Aus dem Befreiungsschlag erwächst Verantwortung

Stellungnahme des Verbands der deutschen Filmkritik zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Filmförderung

Berlin, 29.1.2014 – Das
Bundesverfassungsgericht hat mit seiner gestern verkündeten Entscheidung
die Verfassungsmäßigkeit des Filmförderungsgesetzes (FFG)
uneingeschränkt bestätigt.

Der Verband der deutschen Filmkritik
(VdFk) begrüßt das Karlsruher Urteil. Dieses Urteil stärkt das deutsche
Kino und die Rolle des Bundes als maßgeblichem Gesetzgeber im Bereich
der Filmförderung. Zudem wurde damit auch das Solidaritätsprinzip als
ein nachhaltiger Grundpfeiler der deutschen Filmförderung ausdrücklich
bestätigt. Jeder Teil der deutschen Kinolandschaft muss diese auch in
angemessener Weise unterstützen.

„Das Urteil ist ein Befreiungsschlag für
das deutsche Kino“ erklärte Vorstandsmitglied und Geschäftsführer des
VdFk, Frédéric Jaeger, „Solidarität ist gerade in Kulturfragen ein
wichtiger Maßstab. Es kann nicht sein, dass sich wenige reiche und
mächtige Unternehmen aus der Solidargemeinschaft des Kinos
verabschieden.“

Zugleich soll diese positive Nachricht nicht von den vorhandenen
Missständen ablenken. Der VdFk fordert eine breite Diskussion unter den
Film- und Kulturschaffenden über diese Missstände und mögliche Wege zur
Reform des FFG.

„Es muss allen bewusst sein“, so Jaeger,
„dass wir uns nach der uneingeschränkten Zurückweisung der von einigen
Kinobetreibern erhobenen Verfassungsbeschwerden nun den Schwächen der
Filmförderung zuwenden können und sollten. Der VdFk teilt die Ansicht
anderer Verbände, dass das FFG dringend einer Modernisierung bedarf. Das
Karlsruher Urteil hat dazu nun eine Basis gelegt und Rahmenbedingungen
definiert. Auch für die Länderförderungen sollten sich Konsequenzen ergeben. In Kulturfragen dürfen sie sich nicht gegenseitig als Konkurrenz betrachten. Sie stehen
in der Verantwortung, gemeinsam mit dem Bund, die Kulturförderung nicht
weiter vorrangig unter die Fittiche von zu kurz greifenden
wirtschaftlichen Vorgaben wie Standort
faktoren und Auswertungskalkül zu stellen.“

Der VdFk fordert, auch all jene zur
Filmabgabe zu verpflichten, die mit der Online-Verbreitung von Filmen
Geld verdienen: Dazu gehören besonders die
Telekommunikationsunternehmen, aber auch ausländische VoD-Anbieter.

Die Position der Autoren und Regisseure
muss gestärkt werden, ebenso die Position der Produktionsunternehmen
gegenüber den Verwertern.

Auf allen Ebenen muss der Gesetzgeber die
Unabhängigkeit des Kinos gegenüber der Einflussnahme des Fernsehens
sichern. Die im europäischen Vergleich einmalige Umklammerung des Kinos
durch das Fernsehen muss ein Ende haben!

Grundsätzlich sollte ein neues
Filmfördergesetz eine stärkere kulturelle Ausrichtung haben, wie sie
auch von der Europäischen Kommission gewünscht und durch das Urteil des
Bundesverfassungsgerichts nun bestätigt ist. Die kulturelle Qualität und
der künstlerische Erfolg der Filme sind ein wichtigerer Maßstab, als
kurzfristige wirtschaftliche Rendite.

Zudem müssen kulturelle und
wirtschaftliche Filmförderung transparenter voneinander unterschieden
werden. Ihre Vermischung schadet dem deutschen Kino und öffnet der
Willkür bei Gremienentscheidungen Tür und Tor.

Die Stützung von Innovation muss dezidiert
experimentelle Ansätze zulassen. Wir stimmen der Einschätzung der
Karlsruher Richter ausdrücklich zu, dass es: „in der Natur kreativer und
künstlerischer Werke [liegt], dass sie gerade nicht ausschließlich nach
eingefahrenen, vorgegebenen Mustern produziert sind“. Wir freuen uns
über ein solches klares Bekenntnis zu Kunst, Avantgarde und Experiment,
das wir uns auch von den Verantwortlichen der Förderung wünschen.