Im Rahmen der Verleihung der Preise der deutschen Filmkritik während der Berlinale wurde Klaus Eder mit dem Ehrenpreis der deutschen Filmkritik ausgezeichnet.

Der Ehrenpreis wird jährlich vom Verband der deutschen Filmkritik verliehen und ist ein Höhepunkt bei der Verleihung der deutschen Filmkritikpreise. Mit diesem Preis wurde in diesem Jahr Klaus Eders Lebensleistung im Dienste der internationalen Filmkritik gewürdigt. Er erhielt den Preis zum Ende seiner Zeit als General Secretary der Fédération Internationale de la Presse Cinématograhique (FIPRESCI), die er über einen Zeitraum von fast 40 Jahren leitete.
Seine Verbandsarbeit hat Klaus Eder in den 1960er und 1970er im Verband der deutschen Filmkritik begonnen, der damals noch unter dem Namen Arbeitsgemeinschaft der Filmjournalisten firmierte. In diesen Jahren war Klaus Eder Mitglied im Münchner Vorstand des Verbands, zu dem neben ihm auch Peter Buchka, Hans Günther Pflaum, Florian Hopf und Wilhelm Roth gehörten.
1987 wurde er dann Generalsekretär der FIPRESCI, dem Dachverband der internationalen Filmkritik, der heute 50 nationale Filmkritikverbände beherbergt, wozu noch individuelle Mitglieder aus 32 weiteren Ländern kommen. Der seit 1946 erstmals beim Festival in Cannes vergebene FIPRESCI Award wird inzwischen von internationalen Filmkritik-Jurys auf weltweit 80 Filmfestivals vergeben.
In einführenden Worten erinnerte Peter Kremski, Sprecher des Verbands der deutschen Filmkritik, daran, dass mit dem Ehrenpreis für Klaus Eder in diesem Jahr auch die FIPRESCI gewürdigt werden soll, auf deren Anfänge vor 100 Jahren ebenso zurückzublicken ist.

Die Laudatio auf Klaus Eder hielt Müge Turan, Filmkuratorin des Istanbul Modern (Museum of Modern Art in Istanbul) und Filmkritikerin, die selbst als Jurorin an vielen FIPRESCI-Jurys beteiligt war. Als internationaler Gast trug sie ihre sehr persönliche Laudatio auf Englisch vor. In seiner anschließenden Dankesrede erinnerte sich Klaus Eder an bedeutende internationale Filmkritiker, die ihm im Laufe seiner Jahre in der FIPRESCI zu prägenden Weggefährten wurden und mit denen er auch freundschaftlich verbunden war – und er dachte nicht nur zurück an seine Zeit in der FIPRESCI, sondern auch an seine Anfangsjahre im Vorstand des deutschen Filmkritikverbands.
Im Folgenden die Reden von Müge Turan und Klaus Eder im Wortlaut.

Laudatio von Müge Turan
Hallo, merhaba!
Es ist schön, Sie alle hier zu sehen. Ich weiß, was ihr vielleicht denkt – who ist this girl, and why is she up here? Believe me, I’ve asked myself the same question. I feel truly humbled to stand before you today, knowing that so many remarkable film critics in this room could be giving this speech. I must be a very lucky girl, the stars must have aligned. Because today, we are here to celebrate Klaus Eder.
For nearly 40 years, Klaus has been more than just a leader – he has been the very soul of FIPRESCI. As its General Secretary since 1987, he has guided this organization through decades of change, expanding its presence at major festivals, elevating the role of film criticism, and bringing together voices from every corner of the world. Under his leadership, FIPRESCI has grown into a truly global network, with 50 national sections and additionally 32 individually represented countries.
But numbers alone do not capture his impact. What makes Klaus extraordinary is not just his dedication but his deep belief in the power of criticism – not only as a tool for judgment, but as a mean of conversation, of cultural exchange, of keeping cinema alive. He has tirelessly advocated for the voices of critics, whether they were writing from Paris or Peru, Berlin or Beirut, Istanbul or Indonesia.
As a member of countless festival juries he probably has watched more films than any of us can count, always with curiosity, always with an eye for discovery. Klaus has written and edited volumes on cinema, covering everything from Buñuel to Hungarian cinema, from Ōshima to Güney. His passion for film is boundless.
Yet, beyond all his achievements, those of us who know him personally know that Klaus is FIPRESCI in the most human sense. He is our corpus callosum, the part of the brain which passes messages between two hemispheres. He is the bridge that connects us – not just across languages and countries, but between critics and festivals, ideas and people.Thanks to his work, we don’t just travel the world to see films – we travel to see each other, to talk, to debate, to laugh. And we all have our own Klaus Eder moments, I think.
I have known Klaus since 2010, and my moments with him include eating ice cream together, taking a Bosporus tour, and buying DVDs from an Istanbul shop called The End. A man with a generous spirit – always curious, always kind.
There is also something special about his email address. It’s keder@fipresci.org. keder is a Turkish word that means a deep, poetic kind of melancholy – something you wouldn’t expect to see on an email. For nearly 40 years, if you wanted to reach the heart of FIPRESCI, you had to write to Keder. And if you knew Klaus, you understood how fitting that was.
Klaus has traveled the world and loved many places, but we Turks like to believe – just a little – that he loved us more. Maybe because he has served on a jury in Istanbul four times. Maybe because he didn’t just watch Turkish cinema from afar – but he witnessed how it unfolded, up close and personal. Or maybe because, deep down, he understood us.
Klaus, du bist ein großer Mann mit einem großen Herzen. And that heart holds decades of cinema, friendships, late-night festival conversations, and an endless curiosity about the world. For everything you have done – for us, for film criticism, for FIPRESCI – danke! Teşekkürler, Klaus! Now, please join me in welcoming the one and only Klaus Eder to the stage – with the loudest applause!

Dankesrede von Klaus Eder
Now I got sentimental. Thank you very much. Do you know, when I got a phone call some weeks ago about this prize, I was irritated because normally it’s the job of film critics, in particular the members of FIPRESCI and of the German Association to give awards. It doesn’t happen very often that a film critic gets an award. So I asked myself, what for heaven’s sake have I done to deserve this? Oh, Ich spreche Englisch, sorry. Where is Müge? Müge, I changed to English because of you.
Die Antwort auf meine Frage, was eigentlich Besonderes an diesem Job ist, hat mir ein brasilianischer Kollege gegeben: José Carlos Avellar. Er war großartig. Er hat mich ins brasilianische Kino eingeführt. Er ist mir unvergessen – unter anderem, weil er einen sehr guten Umgang mit Sprachen hatte. Er sprach auch Deutsch. Er hat Deutsch gelernt, hat er mir erzählt, um Hegel auf Deutsch lesen zu können – Donnerwetter. Und das Ergebnis war, dass er ein sehr gutes Deutsch sprach, aber in Berlin Straßenbahn fahren konnte er nicht, weil das alltägliche Deutsch bei Hegel nicht vorkommt.
Avellar hat mir gesagt, die FIPRESCI existiert nur, weil es einen verrückten Deutschen gibt, der dort, ohne müde zu werden, arbeitet – ein verrückter Deutscher. FIPRESCI exists only, because there is a crazy German working tirelessly for it.
Er hat natürlich Unrecht. Es ist nicht so, dass es keine Arbeit macht, einen Verband großzuziehen mit Filmkritikern. Es ist aber auch Arbeit. Und es gibt sehr viele Kollegen, die mich bei dieser Arbeit unterstützt haben. Ich bin dankbar, dass ich diese Arbeit nicht alleine machen musste.
Ich denke auch zurück an die ersten Momente dieses Verbandes, des deutschen Filmkritikerverbandes, an Kollegen wie Peter Buchka, Hans Günther Pflaum, Florian Hopf, die während der Anfänge geholfen haben, dass die damalige Arbeitsgemeinschaft der Filmjournalisten, so hieß das damals noch, auf ein Gleis kommt, auf einen Weg kommt, um uns Filmkritiker hoffähig zu machen. Es ist ja keineswegs so, dass alle Kollegen, die im Film arbeiten, uns mögen. Aber die Verbandsarbeit hat es möglich gemacht, dass wir als eine Größe in der Filmindustrie vorhanden sind.
Damals hat etwas angefangen, das bis heute weitergeht und wichtig ist, nämlich ein Interesse der Filmkritik an der Filmpolitik, an den Bedingungen, die hierzulande da sind, um Filme zu machen. Wir haben eine Zusammenarbeit mit Regisseuren angefangen, darunter Alexander Kluge, Edgar Reitz und viele andere des Neuen Deutschen Films.
Später kamen internationale Kritiker dazu. Ich denke an Lino Micciché, den Italiener, ich denke an Michel Ciment, den Franzosen, und vor allen Dingen an Derek Malcolm, den langjährigen Kritiker des britischen Guardian. Micciché war ein Spezialist für Visconti. Wenn jemand über Visconti arbeiten wollte, musste er Micciché einbeziehen.
Avellar, der Brasilianer, den ich gerade erwähnte, hat mich beeindruckt in einem Punkt: Er hat nie, nie einen Film vorzeitig verlassen. Wir kennen den Betrieb von Festivals, wo es manchmal wirklich unumgänglich ist. Sie haben einen Radio-Termin oder sonst was, Sie müssen aus dem Kino. Hat er nie, nie gemacht.
Derek Malcolm, er hat eigentlich denselben Kommentar gehabt zu jedem Film. Und dieser Kommentar, den er jedem sagte, der ihn hören wollte, war: „Nicht schlecht, aber ein bisschen zu lang.“ Also eine Variante 20 Minuten kürzer wäre besser gewesen – ist okay.
Michel Ciment, es war schwer mit ihm zu diskutieren, weil er immer scharfe Meinungen vertrat. Entweder war es ein Meisterwerk oder es war Schrott. Dazwischen gab es bei ihm nichts. Aber das sind natürlich Diskussionen, aus denen man lernen konnte.
Sie merken aus dem, was ich jetzt zu sagen versuche, ich spreche von Individualisten. Ich glaube, dass die Qualität sowohl der FIPRESCI als auch des Verbandes damit zu tun hat, dass es Individualisten sind, die ihre individuellen Meinungen durchsetzen und sich nicht irgendwelchen gängigen Modemeinungen unterziehen.
Die Verbindung zu Regisseuren ist immer noch gut. Wir haben vor zehn Jahren beim 90-jährigen Jubiläum der FIPRESCI eine Reihe von Ehrungen gemacht. Die Namen zeigen Ihnen, wo eigentlich unsere Vorlieben als Filmkritiker auch liegen: Alan Parker, Jean-Jacques Annaud, Costa-Gavras, Ettore Scola, Andrzej Wajda, Edgar Reitz, Margarethe von Trotta, Nanni Moretti. Das sind, glaube ich, noch immer Regisseure und Filmemacher, die für viele von uns zu den wichtigsten gehören.
Ich hoffe, ich konnte klarmachen, dass es zwischen den Verbänden, zwischen den Mitgliedern eine familiäre Atmosphäre gab. Ich hatte den Fall von Jurys, wo die gesamte Jury nach einem Festival zu mir kam und sagte: „Wir haben uns so gut verstanden, können wir nicht alle zusammen noch einmal in eine Jury gehen?“ Das sind Sachen, die, um es emotional auszudrücken, mein Herz erfreuen, weil da etwas aufgeht. Da geht auf, dass es Menschen sind, dass es nicht nur Meinungsmacher oder Meinungsformulierer sind, sondern dass es Leute sind, die eine Familie haben, die ein Leben haben, und darüber tauscht man sich aus.
Eine der Qualitäten des Verbandes, glaube ich, ist, dass man sich auch persönlich näher gekommen ist. Avellar – wenn ich in Brasilien war, war ich bei ihm zu Hause. Als meine Tochter Abitur machte, war Avellar dabei als Zeuge. Solche Dinge sind in der FIPRESCI bisher möglich gewesen. Es hat immer Spaß gemacht, miteinander zu reden, sich zu treffen, sich für gutes Kino zu begeistern. Dass ich diese Treffen, diesen Verband für eine Reihe von Jahren moderieren durfte, dafür danke ich meinen Kolleginnen und Kollegen. Und ich danke Ihnen allen hier aus tiefstem Herzen. Vielen Dank.

