Notizen zum Kino 4: Schritte auf dem Weg zum „must see“

Medienpräsenz generieren: Die Arbeit von PR-Agenten am Beispiel von Just Publicity
Von Anke Zindler

Ich möchte ein bisschen persönlich halten, was ich Ihnen heute Abend über die Arbeit von PR-Agenturen sagen werde. Ich bin in diese Branche gegangen, weil ich mit meinem Lehrerexamen in der Tasche seinerzeit nicht in die Schule gehen wollte, weil ich Kino liebte und weil ich die positive Energie von außergewöhnlichen künstlerischen Leistungen ansteckend fand. Diese Begeisterung weiterzugeben und dabei das künstlerische Credo von Regisseuren und Schauspielern zu entdecken und kennen zu lernen, war damals mein Adrenalin-Kick für diesen Beruf – und ist es heute immer noch, auch nach einigen hundert unterschiedlichen Filmkampagnen in unserer Agentur. Es bleibt spannend für mich, für meine Partnerinnen, auch wenn die PR selbst durch den hohen Kosten- und Konkurrenzdruck innerhalb der Filmbranche inzwischen in vielen Aspekten deutlich formalisierter, kontrollierter und unter größerem Erfolgsdruck stattfindet als vor etwa zehn oder 15 Jahren.

Mit meinen Partnerinnen und Mitarbeiterinnen arbeiten wir im Auftrag von Verleihern und Produzenten und sind Vermittler und Schnittstelle zwischen dem Film und dem Publikum. Wir erreichen das Publikum aber nur über eine weitere Schnittstelle: die Berufsgruppe der sich unabhängig verstehenden Kritiker und Filmjournalisten. Ganz und gar unabhängig sind die Kritiker aber auch nicht. Wir sitzen im gemeinsamen Boot des Kulturbetriebs, der auf der Seite der Medien ebenso kommerziell und wettbewerbsorientiert funktioniert wie auf der Seite der Künste, die – um ein größeres Publikum zu erreichen – auf Verleih, Verkauf und Vermittlung angewiesen sind.

Werk nicht unter kommerziell hergestell­ten Bedingungen sehen und hören kann. So viel zur Unabhängigkeit der Presse und warum wir als Agenten eine oft unausgesprochene Erwartung an eine grundlegende Fairness der Journalisten hegen. Der Film erreicht umgekehrt sein Publikum nicht, wenn der Kritiker sich nicht dafür interessieren lässt. So viel zur Angewiesenheit der Filmbranche auf die Presse, die nur dann nicht existiert, wenn der Film auf Grund von Werbepower oder unterirdischer Qualität auf engagierte Besprechungen nicht angewiesen ist.

Um dem Film den Weg zum Zuschauer zu ebnen, müssen wir also zuallererst die Journalisten auf der anderen Seite des imaginären Tresens erreichen. Wir wollen sie neugierig machen, mo­tivieren, interessieren, sich den Film tatsächlich anzuschauen oder sich anhand von Besetzung, Regie und Geschichte frühzeitig eine Meinung zu bilden, ob der Film und seine Stars redaktionell berücksichtigt werden sollen. Wir wollen, dass sie, die Kritiker, die kreative Anstrengung, die hinter einem Werk steckt, respektieren und sich ressentimentfrei damit auseinander setzen. Hier knüpfe ich ausdrücklich an Günter Rohrbachs Wunschliste in seinem Spiegel-Artikel an, der eine faire Auseinandersetzung mit dem Gegenstand forderte: Eine Kritik, die auf Vorurteile, Engstirnigkeiten, Herabsetzungen und Lagerdenken verzichtet. Wenn ich mich dem anschließen darf: Uns PR-Agenten wurmt nicht die kritische Kritik als solche, auch wenn unsere Auftraggeber oft erwarten, wir könnten das im Einzelnen beeinflussen – was wir weitgehend nicht können. Denn da sind Sie als Kritiker tatsächlich unabhängig. Uns wurmt die Tatsache, dass Kritik oft herabsetzend daher kommt, einen Film im verbalen Handstreich vernichten will, und dass manche Kritiker ihre Subjektivität und ihre persönlichen und privaten Einstellungen gegenüber dem Werk häufig nicht reflektieren, zumindest nicht ausdrücklich, wenn sie zur Feder greifen.

Nun aber zu einem konkreten Projekt. Ich bin gebeten worden, über die Erfolgsgeschichte von Das Leben der Anderen einige Worte zu sagen, den wir im Auftrag von und in Zusammenarbeit mit dem Verleih Buena Vista International (German) GmbH (inzwischen Walt Disney Studios Motion Pictures Germany GmbH) bearbeitet haben. Wie gingen wir vor? Was war vorhersehbar? Was überraschend?

Das Leben der Anderen war in mehrfacher Hinsicht ein dankbarer Gegenstand für eine engagierte Öffentlichkeitsarbeit, die sich mit einem Mix aus verschiedenen Stärken und zwei kleinen, aber schnell überwundenen Startnachteilen auseinander setzen konnte. Der erste scheinbare Nachteil: Das Leben der Anderen war ein völliger Newcomer, von dem man kaum etwas gehört hatte, als er ab Dezember 2005 in den ersten Pressevorführungen gezeigt wurde. Aber er kam bereits dort so außerordentlich positiv an, dass sich das „Word of mouth“ unter einzelnen Kritikern vom ersten Moment an fortpflanzte und dem Film einen Ruf verschaffte, der andere neugierig machte. Der zweite scheinbare Nachteil: Das Leben der Anderen wurde nicht für die Berlinale ausgewählt. Die ungeklärte Frage verschaffte dem Verleih und uns als Agentur zwar eine monatelange Zitterpartie, wann wir mit den Pressevorführungen loslegen dürfen. Als dann endlich klar war, dass er nicht in den Wettbewerb eingeladen war, konnten wir ungehindert arbeiten. Wir haben absichtsvoll dafür gesorgt, dass der Film bereits im Januar in allen Schlüsselstädten gezeigt wurde und auf diese Weise zur Berlinale in aller Munde war. Die Diskussion über die Festival-Entscheidung gegen den Film ist Geschichte und hat uns viel Freude gemacht, da sie die positive Erwartungshaltung gegenüber dem Film weiter ausbaute.

Zu den Stärken: Das Leben der Anderen ist außerordentlich gut erzählt, inszeniert und hervorragend besetzt, so dass man selbstbewusst mit der Resonanz der Kritik und mit der Präsenz der Schauspieler arbeiten konnte. Der Film besaß ein Thema, das das Zeug hatte, in eine breite gesellschaftliche Diskussion zu münden. Man musste das nur rechtzeitig unterstützen und durch gezielte Arbeit mit den richtigen Multiplikatoren, Personen und Institutionen fördern. Und er hatte einen Regisseur, der zwar ein fast noch unbeschriebenes Blatt in der Filmwelt war, aber bereits mit Kurzfilmen einige Preise gewonnen hatte und inhaltlich in seinem Stoff extrem kompetent war – ein weiterer Pluspunkt in der Kommunikation dieses Films.

Last but not least gewann er bereits im Januar 2006 mehrere Bayrische Filmpreise, so dass sein Ruf als außerordentlicher Film zu einem frühen Zeitpunkt weiter gefestigt war. Wir konnten darauf aufbauen, als wir uns bemühten, auch Politiker und staatliche Bildungsinstitutionen für eine Aus­einandersetzung zu gewinnen. Diese Arbeit mit nicht-medialen Multiplikatoren war ein wichtiges zweites Standbein der Öffentlichkeitsarbeit, längst nicht jeder Film bietet dazu geeignete Ansatz­punkte. Das Leben der Anderen aber hatte ein brisantes zeitgeschichtliches Thema, das die gesell­schaftliche Diskussion neu entfachen würde. Deshalb haben Verleih, Regisseur und wir als Agentur sehr früh darauf hingearbeitet, Marianne Birthler, deren Behörde und deren Archiv der Stasi-Unter- lagen im Film auch vorkommt, sowie Kulturstaatsminister Bernd Neumann – und schließlich auch dem ganzen Bundestag – den Film zu zeigen.

Die Resonanz in den Medien zu dieser Bundestagsvorführung war – kurz vor dem Filmstart platziert – ebenfalls ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum „must see“. Kurz vor dem Filmstart Ende März 2006 war das Kritikerecho aber auch von einiger Häme durchsetzt. Es gab den Begriff Konsensfilm. Die politische Diskussion, die sich darum entzündete, war je nach Standpunkt und Vorleben der Diskutierenden extrem kontrovers. Auch warf man Florian Henckel von Donnersmarck vor, solch eine Wandlung wie die der Hauptfigur Gerhard Wiesler hätte es im real existierenden Sozialismus nie geben können, deshalb sei dies ein schlechter Film. Doch in der Mehrheit war die öffentliche Resonanz positiv und lebhaft. Sie hat durch die Präsenz in den Medien mit Sicherheit zum Erfolg an der Kinokasse direkt beigetragen.

Das persönliche Fazit meiner Arbeit als PR-Agentin ist, dass sich Pressearbeit, die das Engagement der Kritik anfeuert, nur mit der tatsächlichen Substanz der Filme und ihrem künstlerischen Potenzial machen lässt. Mangelnde Qualität lässt sich im Filmmarketing nicht kaschieren. Aus der Sicht der PR muss man in solchen Fällen andere Wege gehen und hoffen, dass z.B. die Stars genügend Medienpräsenz generieren können. Oder man rechnet damit, dass Pressearbeit möglicherweise kein entscheidendes Standbein für die öffentliche Wahrnehmung des Films ist. Im Fall von Das Leben der Anderen war die Substanz außerordentlich groß – zusammen mit der Bereitschaft von Regisseur und Hauptdarstellern, sich für den Film einzusetzen – die lohnende Ausgangsbasis für eine breite öffentliche Präsenz, die wir das Vergnügen hatten zu begleiten und zu fördern.

Anke Zindler ist Geschäftsführerin der Münchner Film-Presse-Agentur Just Publicity.

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