EMAF Medienkunstpreis 2022 des Verbands der deutschen Filmkritik vergeben

Der EMAF Medienkunstpreis des Verbands der deutschen Filmkritik wird seit diesem Jahr an einen Film im Internationalen Wettbewerb vergeben. Die Jury 2022 bestand aus Esther Buss, Peter Kremski und Jenni Zylka.

Osnabrück, 24.04.2022

Preisverleihung des Medienkunstpreises des Verbands der deutschen Filmkritik, Preisträger: Carl Elsaesser, Teil der VdFk-Jury: Peter Kremski, Esther Buss EMAF/Foto: Angela von Brill
Home When You Return © Carl Elsaesser

Home When You Return des US-amerikanischen Experimentalfilmers Carl Elsaesser (New York) wird mit dem Medienkunstpreis des Verbands der deutschen Filmkritik (VdFk) ausgezeichnet. Der
Beitrag setzt sich über die Projektion eines historischen Melodrams an den Wänden im Haus der Großmutter des Filmemachers mit weiblichen Rollenbildern, Trauer und Verlust auseinander.
Darüber hinaus spricht die VdFk-Jury eine lobende Erwähung für L’incanto der italienischen Künstlerin Chiara Caterina aus. Der Film unternimmt mit der Verknüpfung von fünf Frauenschicksalen eine Reise ins kollektive Unterbewusstsein.

Mit Home When You Return von Carl Elsaesser zeichnet die Jury des EMAF Medienkunstpreises des Verbands der deutschen Filmkritik eine „berührende überindividuelle Erzählung über Verlust, Trauer, weibliche Rollenbilder und die Schattenwelt der häuslichen Sphäre“ aus. „Im Spiel mit Doppelbelichtungen, Verwischungen, Zwischen- und Rolltiteln, der Tonspur aus dem historischen Film sowie Geräuschen aus dem Hier und Jetzt lässt Carl Elsaesser Vergangenheit und Gegenwart, filmische Realität und persönliche Geschichte auf virtuose Weise – und auf 16mm – miteinander verschmelzen.“

L’incanto © Chiara Caterina

Eine Lobende Erwähnung vergab die Jury an L’incanto von Chiara Caterina. Der Film verbinde „Bilder und Töne, die ursprünglich nichts miteinander zu tun haben, aber schon als einzelne Elemente eine suggestive Ausdruckskraft besitzen, zu einem surrealen Gesamtkunstwerk“.

Die Jury-Begründungen im Wortlaut:

Der EMAF Medienkunstpreis des Verbands der deutschen Filmkritik geht an
Carl Elsaesser, Home When You Return

Zwei weibliche Biografien am Rande des Sichtbaren verflechten sich zu einem betörenden women’s picture. Sie spiegeln sich, kommunizieren miteinander, reden der anderen buchstäblich hinein. Ihr geteilter physischer Raum ist ein Haus, das mehr als ein halbes Jahrhundert bewohnt wurde und nun, nach dem Tod seiner Besitzerin, zum Verkauf steht. Auch wenn über das lange Leben, das in den jetzt leeren Räumen einst stattfand, so gut wie nichts bekannt ist, vermittelt der Film eine leise Ahnung. Die Blicke stoßen an Grenzen, fallen auf Wände und Fenster, Sehnsüchte schwingen mit, auch Unerfülltes. Gesprochen wird in einer Sprache, über die es heißt, dass sie selbst Steine zum Weinen brächte: die Sprache des Melodrams.
In Home When You Return führt ein melodramatischer Film der Amateurfilmerin Joan Thurber Baldwin aus den 1950er-Jahren im Haus der gerade verstorbenen Großmutter des Filmemachers ein phantomhaftes Weiterleben. Räume, Dekor, Texturen, Objekte wie Möbel und Gemälde sowie flüchtige Abdrücke der vormals Anwesenden werden zum Ausdruck von Innerlichkeit, der Blick darauf ist dabei so präzise wie zärtlich. Im Spiel mit Doppelbelichtungen, Verwischungen, Zwischen- und Rolltiteln, der Tonspur aus dem historischen Film sowie Geräuschen aus dem Hier und Jetzt lässt Carl Elsaesser Vergangenheit und Gegenwart, filmische Realität und persönliche Geschichte auf virtuose Weise – und auf 16mm – miteinander verschmelzen. Die verschiedenen Zeit- und Wirklichkeitsbenen affizieren sich gegenseitig und changieren zwischen Impression und emotionalem Überschuss. Was so entsteht, ist eine berührende überindividuelle Erzählung über Verlust, Trauer, weibliche Rollenbilder und die Schattenwelt der häuslichen Sphäre.

Der VDFK spricht eine Lobende Erwähnung aus für
Chiara Caterina, L’incanto
Durch seine ungewöhnliche Gestaltungsweise und außerordentliche Wirkungsintensität hat der Film die Jury des Verbands der deutschen Filmkritik zutiefst beeindruckt.
L’incanto verbindet Bilder und Töne, die ursprünglich nichts miteinander zu tun haben, aber schon als einzelne Elemente eine suggestive Ausdruckskraft besitzen, zu einem surrealen Gesamtkunstwerk, in dem alles miteinander in Beziehung zu stehen scheint. Der Film wirkt wie eine Reise ins Herz der Finsternis: Stimmen auf der Tonebene sprechen von Tod, Mord, Höllenqualen und Verdammnis. Es sind die Geschichten von fünf Frauen, die sich auf der Tonebene ineinander spiegeln und vermengen bis hin zu einem alptraumhaften Crescendo am Ende des Films. Dazu Bilder von der Elementarhaftigkeit der Natur und von labyrinthhaften Höhlenstrukturen, aber auch von einer abgründigen Urbanität mit gespenstischen Interieurs und sich düster verengenden Korridoren. Der Film wirkt auch wie die Reise in ein kollektives Unterbewusstsein.
Aus all diesen Elementen kreiert der Film eine infernohafte Aura, die den elektrisierten Zuschauer auf magische Weise gefangen nimmt. Der Titel des Films bedeutet auch bezeichnenderweise so viel wie „Zauber“, „Verzauberung“, „Magie“.