Notizen zum Kino 6: Umfrage zum Honorar

Zwischen Lebensentwurf und Luxus
Ergebnisse der Umfrage zur ökonomischen Situation unserer Mitglieder
von Gerhard Midding

Der Rücklauf unserer im Sommer 2009 durchgeführten Mitglieder-Umfrage war erfreulich hoch: Von den schätzungsweise 260 freien Filmjournalisten, die zum Verband gehören, haben immerhin 45 geantwortet. Die Ergebnisse sind zwar nicht unbedingt statistisch belastbar, liefern jedoch ein Stimmungsbild. Dabei hat es sich als eminenter Vorteil erwiesen, die Antworten anonym zu behandeln. Es gab wenig Schönfärberei. Erstaunlich freimütig haben viele Mitglieder ihre Einkommensverhältnisse offengelegt – die im Schnitt übrigens bezeichnend niedriger sind als die der freien Journalisten im Allgemeinen, wie sie aus einer wenige Monate zuvor veranstalteten Umfrage des DJV hervorgehen.

1. Wie lange üben Sie den Beruf des Filmjournalisten aus?

Das Spektrum der Angaben reicht von vier bis 45 Jahren. Elf Befragte üben den Beruf seit zehn Jahren oder weniger aus, 12 Befragte zwischen elf und 20 Jahren, 12 Befragte zwischen 21 und 30 Jahren, drei Befragte bis 40 Jahre, noch länger im­merhin zwei.

2. Arbeiten Sie vorwiegend für Print-, Online- Medien oder Rundfunk?

38 der Befragten nennen Print, mit wenigen Ausnahmen an erster Stelle; 14 nennen Online, davon zweimal ausschließlich, sonst aber selten an erster Stelle; sechs nannten TV (dreimal an erster Stelle bzw. exklusiv), ebenso viele Radio. Nur zweimal wird die Arbeit an Büchern erwähnt.

3. Können Sie ausschließlich von ihm leben?

26 der Befragten antworten entschieden mit Nein. Darüber hinaus gibt es relativierende Antworten: "nicht ganz", "zunehmend schlechter", "mittlerweile nicht mehr", zweimal auch präzisiert "seit 2008 nicht mehr". Nur sieben der Befragten antworten mit Ja (darunter ein festangestellter Redakteur), andere relativieren: "sehr bescheiden", "manchmal nicht", "man schlägt sich durch", "dank Erbe und Erspartem aus den Goldenen 90ern". Eine bezeichnende Aussage: "Filmjournalismus ist ein Luxus."

4. Wie hoch ist Ihr Einkommen?

Dazu haben erstaunliche viele Befragte Angaben gemacht. Das Spektrum reicht von 50 € und 5600 € (allerdings bei einem festangestellten Redakteur) im Monat. Offenbar ist die Einschätzung, wovon man leben kann, durchaus subjektiv. Ein Befragter lebt offenbar auskömmlich von 17.500 € brutto im Jahr; ein anderer meint, mit 20.000 € Jahreseinkommen nicht existieren zu können. Ein Befragter hat genau die Veränderungen in den letzten Jahren beschrieben: 2007: 24.000 €, 2008: 18.000 €, 2009 wohl noch weniger

5. Welche anderen, auch berufsbildfremden Tätigkeiten (z.B. PR, Übersetzungen) üben Sie aus?

Dort ergibt sich ein sehr weites Feld. Mehrfach wurden nur Übersetzungen und Mitarbeit bei Festivals (Auswahlkommission, PR, Kuratieren von Filmreihen) genannt sowie klassische Neben­tätigkeiten wie Vorträge, Seminare, Gesprächsmoderationen. Etliche Mitglieder arbeiten auch in anderen journalistischen Berufsfeldern: Opern-, Theater-, Literatur und Musikkritik, aber auch Wohnen, Design oder Wirtschaft; freie Redaktionstätigkeiten beim TV und Radio in anderen Themenbereichen. PR und Öffentlichkeitsarbeit werden selten genannt. Je einmal wurden genannt: Art Consulting, Kurator in der bildenden Kunst, Programmgestaltung für Kinos, Drehbücher und Hörspiele, Kindererziehung und Rente, Inhaber einer Postagentur. Erstaunlich wenige Freie sind im akademischen Bereich tätig.

6. Hat sich die Gewichtung dieser Bestandteile in den letzten Jahren verschoben?

22 der Befragten antworteten mit Ja. Sofern sie weitere Angaben machten, dann tendenziell zu Ungunsten des Filmjournalismus. Zwölf antworteten mit Nein.

7. Haben sich Ihre Zeilen-, Rundfunkhonorare oder Pauschalen in den letzten 15 Jahren erhöht?

28 Antworten lauten Nein. Davon spürten sechs Befragte langfristig eine drastische Senkung. Ein Freier beklagt das Honorardumping von Kollegen. Ein uneingeschränktes Ja gab es nur in drei Fällen. Weitere Antworten: "unbedeutend", einmal "leichte Anpassung bei Einführung des Euro", "beim Rundfunk immer mal wieder".

8. Werden Ihnen im gleichen Maße wie früher Ausfallhonorare und Spesen bezahlt?

Nur sechsmal gab es ein klares Ja (davon ein festangestellter Redakteur), hingegen 23-mal ein klares Nein für Beides. Ausfallhonorare wurden den Befragten "eher selten" oder "nach harten Verhand­lungen" gezahlt, Spesen in der Regel jedoch nie.

9. Spüren Sie in den letzten ein, zwei Jahren eine Verbesserung oder Verschlechterung Ihrer Auf­tragslage? Lässt sich dieser Befund nach verschiedenen Medien und Regionen differenzieren?

Eine Verbesserung haben nur drei Befragte bemerkt, davon zwei im Online-Bereich. Als gleich­bleibend schätzen nur zwei die Lage ein. 28 Befragte hingegen spürten eine Verschlechterung. Sie wurde oft als massiv gewertet, nur zweimal als leicht. Besonders betrifft dies die Arbeit für Zeitun­gen. Ein freier Autor spürte noch 2007/2008 eine Verbesserung, ab Oktober 2008 jedoch eine deutliche Verschlechterung. Ein Autor verteidigt seine Nische einer wöchentlichen Radiokritik, fragt sich aber, wie lange noch. Zweimal hoben Befragte hervor, in Berlin sei die Konkurrenz durch Nachwuchs am stärksten. Weitere Klagen richteten sich gegen die Bevorzugung betroffen von standardisierter Agentur-Ware und gegen unzuverlässige oder inkompetente Redakteure. Viele Befragte vermissen eine feste Auftragsvergabe, oft würden sie gebeten, "einfach alle Texte unverbindlich zu schicken".

10. Ist der Zeitaufwand beim Requirieren von Aufträgen größer geworden?

19 Befragte antworteten mit Ja. Man wird häufiger hingehalten, oft gibt es keine Reaktionen auf Angebote; ein Befragter bezeichnet die Situation beim Fernsehen als unzumutbar, trotz aufwändig gestalteter Exposés gäbe es immer weniger Rückmeldungen. Nur ein Mitglied empfindet den Auf­wand als gleichbleibend. 14 Mal wird hingegen mit Nein geantwortet. Als Erklärung werden regel­mäßige Auftraggeber angegeben (einer der Befragten ist festangestellter Redakteur) und persönliche Beziehungen zur Redaktion, aber auch "Erfahrung zählt". Viele Befragte spüren, dass die Akzeptanz von "abwegigen" Themen (Festivals) zurückgeht.

11. Haben Sie das Gefühl, dass die Konkurrenz stärker geworden ist und beispielsweise festangestell­te Redakteure mehr Arbeiten übernehmen?

33 Antworten lautete Ja, fünf Nein. Unter ihnen gibt es Einschränkungen: Es gibt weniger Platz, Formate werden verkleinert oder eingestellt, Redakteure übernehmen Festivalberichte, klassische Genres wie Jubiläumsartikel werden verstärkt mit Volontären besetzt. Etlichen Autoren wird offen kommuniziert, dass Festangestellte mehr über­nehmen müssen – auch Redakteure aus anderen Ressorts, was man nach Meinung eines Befragten an der mangelnden Qualität spürt. Zweimal wird der Verdacht des Themenklaus durch Redakteure ausgesprochen. Ein Befragter gab zu bedenken, dass auch die Zahl der Festangestellten abnimmt. Das Unterbieten bei Honoraren durch Kollegen wurde beklagt, die Konkurrenz von Agenturtexten als immer bedrohlicher empfunden.

12. Hat die Krise in Ihren Augen besonders zu Einsparungen in der Kulturberichterstattung führt?

18 Befragte antworteten mit Ja, 14 mit Nein. Viele Autoren haben den Eindruck, dass dies bereits seit der Anzeigenkrise zu Beginn des Jahrzehnts so ist. Zum Teil wird vehement der Niveauverlust in den Feuilletons beklagt. Ein Autor beschreibt einen übergreifenden Bewusstseinswandel: die vermutete oder tatsächliche Funktionalisierung von Filmjournalisten als Werbeträger: "Wer negativ schreibt, läuft Gefahr, aus der Einladungsliste der Verleiher zu fliegen. Insbesondere Festivals, auch kleinere, auf deren Mitfinanzierung des Auf­enthalts Journalisten angewiesen sind, da kaum noch Spesen bezahlt werden, verwechseln gerne Filmkritik und Journalismus mit Öffentlichkeitsarbeit. Ergo kommen aus der filmpublizistischen Ecke heute nur noch wenige Impulse."

13. Haben Sie den Eindruck, dass sich die Vielfalt der Themen dort einschränkt? Engen Sie das Spektrum Ihrer Angebote bereits von sich aus auf vermeintlich populäre Themen ein?

30 Befragte antworteten mit Ja. Nach ihrer Einschätzung nehmen Mainstream, Glamour und Boulevard überhand. Es gebe in Tageszeitungen zusehends weniger Platz für Innovation und aus­gefallene Themen. Nur ein Rundfunkautor meint, dass seine Kritiken vor allem den kleinen Filmen zu Gute kommen. Zehn Befragte bestreiten, ihre Themenangebote einzuengen.

14. Macht Ihnen der Beruf noch ebenso viel Spaß wie früher? Engagieren Sie sich noch in gleichem Maße für bestimmte Themen, die Ihnen besonders am Herzen liegen?

29 der Befragten antworteten mit Ja, meist sogar entschieden, bisweilen eingeschränkt ("ich hoffe doch", "habe nichts Anderes gelernt"). Der Spaß verdankt sich dem kulturellen Angebot, das Enga­gement leidet jedoch unter den ausbeuterischen Strukturen der Medienlandschaft. Es gab ein Jein und einige Relativierungen ("versuche, die Motivation nicht zu verlieren"). Eindeutig mit Nein antworteten nur vier Befragte. Einer meint: "Lagerarbeiter würde mehr Geld bringen und weniger Konkurrenzdruck".

15. Haben Sie den Eindruck, Ihrer Autorenrechte zunehmend verlustig zu gehen? Werden Sie von Ihrem Arbeitgeber für die Mehrfachverwertung Ihrer Texte oder Beiträge extra bezahlt (Onlinehonorare etc.)?

Auf den ersten Teil der Frage hat Jeder mit Ja geantwortet. Autorenrechte werden nach ihrer Ansicht definitiv zu billig abgegeben, da man sich als Freier in einer Situation der Erpressbarkeit befindet. Ein Autor verweist auf den zusätzlichen ideellen Schaden, den er durch Mehrfachverwertungen nimmt: "Das Image als Schreiber, mein einziges Kapital sozusagen, wird oftmals beschädigt durch fehlerhafte und/oder sehr schlechte Vorspänne, Überschriften und Bildunterschriften, die in der völlig unterbesetzten Onlineredaktion fabriziert werden." Auf den zweiten Teil der Frage antworteten nur zwei der Befragten, sie seien noch einmal extra abgegolten worden, ein anderer sagt, Mehrfachverwertung würden nicht immer bezahlt. Ein Autor verschenkt seine Rechte bewusst, "weil ich es sinnvoll finde, dass Radiotexte online abrufbar sind."

16. Vertrauen Sie darauf, dass sich im Onlinebereich die Erwerbsmöglichkeiten mittelfristig ver­bessern werden?

25 Mal wird darauf mit einem entschiedenen Nein geantwortet. ("Nie im Leben!", "Woher soll das Geld kommen?", "Die Konkurrenz wächst mit den unbegrenzten Möglichkeiten.", "Solange es unbe­zahlten Journalismus gibt, wird sich auch langfristig nichts ändern.") Nur drei Befragte können sich zu einem zum Ja durchringen, mit der Einschränkung, dass diese nicht an die Printstandards her ankommen werden. Ein Autor hat die Erfahrung, dass sie sich tatsächlich erhöht haben.

17. Glauben Sie, in fünf Jahren von der Tätigkeit als Filmjournalist noch in gleicher Weise leben zu können?

Nur fünf der Befragten haben darauf mit Ja geantwortet. Bei vier gibt es ein banges Hoffen, skeptisch sind drei. Die überwiegende Mehrheit (24 Befragte) verneint dies. Einige suchen jetzt schon nach Alternativen. Eine Autor differenzierte seine Einschätzung folgendermaßen: "Ich fürchte nein, weil ich nicht sicher bin, ob man überhaupt noch Geld damit wird verdienen können; und ich hoffe nein, weil ich die gegenwärtige Weise des Geldverdienstes (Mehrfachnutzung meiner Texte durch den Auftraggeber, der mich aber nur einmal bezahlt) für verbesserungswürdig halte." Ein anderer schreibt: "In fünf Jahren ist der Filmjournalismus tot. Das Wort Kritik wird es nicht mehr geben. Entweder man ist der verlängerte Arm der Marketingkette und damit ein Lügner oder man arbeitet etwas anderes." Ein älteres Mitglied antwortete mit Lee Marvin: "If this is the future, I want no part of it".

© VDFK 2010  

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