12. Liliput-Preis

Preis für die beste Synchronisation und die beste Untertitelung
eines fremdsprachigen Films im Kino in Deutschland

Der VdFk vergibt mit dem Bundesverband kommunale Filmarbeit (BKF) den Liliput-Preis für herausragende Filmsynchronisation und Untertitelung. Der undotierte Preis, der seit 1997 vergeben wird,  will zur Qualitätsverbesserung der in deutschen Kinos gezeigten Versionen ausländischer Filme beitragen – und den Anteil untertitelter Originalversionen im Kino erhöhen. Der Liliput-Preis wurde am 17. Oktober 2008 bei der Frankfurter Buchmesse überreicht.

Die Preisträger sind:

"Persepolis" (Synchronisation)
"Mein Bruder ist ein Einzelkind" (Synchronisation)
"No Country for Old Men" (Untertitelung)

Jury: Eckhard Schleifer (BKF), Andrea Dittgen, Ursula von Keitz (VdFk)  

 

JURY-BEGRÜNDUNGEN 


Liliput Preis für herausragende Untertitelung

"No Country for Old Men" (USA 2007)
Regie: Joel und Ethan Coen
Verleih: Universal Pictures
Untertitelung: Titra Film, Wien
Übersetzung: Andrea Wilhelm

"No Country for Old Men" ist ein Film, in dem wenig gesprochen wird. Situiert zwischen Thriller und Charakterstudie, bezieht er seine Wirkung beim Zuschauer wesentlich aus dem Kontrast zwischen der in langen Einstellungen präsentierten menschenleeren Landschaft des südlichen Texas, der in ihr herrschenden Ruhe und topographischen Klarheit, und den schockhaft wirkenden Szenen des Tötens. Da die Tonspur des Films ohne score auskommt, wird der Zuschauer umso mehr für die Geräusche und die wenigen Dialoge sensibilisiert. Die Dialoggestaltung selbst ist geprägt durch die kurzen, abgehackten Sätze der Sheriffs, das langsame Sprechtempo des Killers (Javier Bardem) und die manchmal sehr langen Pausen zwischen den Sätzen. Für die Ton-Dramaturgie des Films bedeutet dies, dass jede Dialogzeile damit großes Gewicht bekommt.
Eine Herausforderung für die deutsche Übersetzung und Untertitelung des amerikanischen Originals ist gewesen, neben der reinen Sinnebene das Lakonische der Figurenrede zu treffen. Das ist über weite Strecken sehr gut gelungen. Die Dialogwiedergabe ist vollständig, sie hält sich über weite Strecken wörtlich an das amerikanische Englisch des Originals und erfüllt damit in vollem Umfang ihre Funktion, Zuschauern, die die dialektalen Sprachfärbungen der Figuren schwer verstehen können, aber dennoch die Authentizität der originalen Intonation schätzen, die Details des Dialogs zu vermitteln. (Ursula von Keitz)

 

 

Liliput-Preis für herausragende Synchronisation

"Mein Bruder ist ein Einzelkind" (Italien/Frankreich 2007)
Regie: Daniele Luchetti, I/F 2007
Verleih: Kool Film
Synchronisation: Neue Tonfilm, München

Bei der Synchronisation von guten Filmen kann es nur darum gehen, dem Niveau der Originalfassung so nahe zu kommen wie nur möglich. Das haben Verleih und Synchronfirma im Fall von Daniele Luchettis "Mio fratello è figlio unico" nicht nur beherzigt, sondern in Form der hervorragenden deutschen Fassung "Mein Bruder ist ein Einzelkind" auch erfolgreich umgesetzt: Vom Titel über die Auswahl der Sprecher, das Sprachniveau, die Lippensynchronität, die Übersetzung, die Geräusche und die Musik bis hin zur Mischung ist hier sehr sorgfältig gearbeitet worden, haben sich Verleih und Synchronfirma sehr große Mühe gegeben.

Zwar ist die Stimme des kleinen Accio im Original nasaler; zwar fügt die deutsche Fassung schon mal einen kurzen Dialog hinzu oder lässt einen weg; zwar wird der Name der Schauspielerin Marisa Allasio in der deutschen Fassung in Marisa Allasco verändert; zwar findet sich der eine oder andere Übersetzungsfehler (im Original gibt es im „Volk” auch einen "Haufen Arschlöcher", in der deutschen Fassung besteht es aus „lauter Arschlöchern”).

Aber das sind alles Kleinigkeiten, die die höchst respektable Leistung von Verleih und Synchronfirma nicht schmälern. (Eckhard Schleifer)

 

 

Liliput-Preis für hervorragende Synchronisation

„Persepolis“ (Frankreich 2007)
Regie: Marjane Satrapi und Vincent Patronnaud
Verleih: Prokino
Synchronisation: Berliner Synchron

Marjane Satrapi erzählt in "Persepolis" eine wahre Geschichte, ihre eigene, die zuvor bereits in mehreren Comic-Bänden erschienen ist. Die 1969 im Iran geborene Frau erlebte als Kind die iranische Revolution und den Sturz des Schahs mit, aber auch die Repressalien, die danach kamen. Sie träumte davon, frei zu sein und die Welt kennenzulernen, lebte eine Weile in Wien, kehrte irgendwann voller Enttäuschung und Heimweh zurück, musste feststellen, dass sich die politische Situation nicht geändert hatte, und lebt heute in Frankreich, wo sie mit dem Franzosen Vincent Paronnaud aus ihrer Lebensgeschichte einen der ungewöhn-lichsten langen Animationsfilme der Filmgeschichte machte: "Persepolis" ist vorwiegend in Schwarzweiß gedreht, mit einfachen, aber wirkungsvollen Effekten, ist humorvoll (vor allem, wenn es um die Oma der Protagonistin geht, die den Freiheitsdrang der Enkelin unterstützt), nicht anbiedernd und hat im Original mit Catherine Deneuve, ihrer Tochter Chiara Mastroianni und Danielle Darrieux markante Sprecherinnen, die die Geschichte tragen.
Wer lebenden Personen in einem Film eine neue Stimme gibt, orientiert sich nicht nur an Tonfall, Stimmlage, Lautstärke und Satzmelodie. Da gibt es auch noch das Gesicht, die Augen, die Blicke, die Gesten, die natürlichen Bewegungen im Raum. All das geht im Animationsfilm nicht. Die Figuren sind künstlich, bewusst künstlich, auch wenn sie eine wahre Geschichte erzählen wie in „Persepolis“, auch wenn die Figuren vorher schon bekannt sind durch die Comics. Im Animationsfilm ist noch etwas anders, denn eigentlich gibt es keine Originalfassung, sondern nur Synchronfassungen; zuerst ist immer das Bild da, der Ton kommt danach – und auch die Wahl der Sprecher oder besser der Interpreten.
Prokino, der deutsche Verleih, hat für die Hauptrolle bewusst Jasmin Tabatabai gewählt, eine deutsche Schauspielerin, die im Iran geboren wurde und Ähnliches erlebt hat wie die Hauptfigur des Films, und die die Comics von Marjane Strapane gut kennt. Das spürt man. Sie gibt der Hauptfigur der Marjane als Kind eine naiv-frische Ausstrahlung, wenn sie rückblickend aus dem Off ihr Tun kommentiert, und später, wenn sie synchron spricht, als Teenager eine wütend-energische Stimme und als junge Frau einen ruhigeren, immer ein bisschen ernsten Unterton. Tabatabais Stimme, ihre Emotionalität und ihre Identifikation mit der Figur trägt den ganzen Film mindestens ebenso stark wie die Bilder, sie ist dominanter als dies Chiara Mastroianni in der französischen Fassung ist.
Nadja Tiller als selbstbewusste Großmutter hat eine gewisse Härte in ihrer relativ dunklen, leicht kratzigen Stimme, die sehr gut zu dem Charakter passt, während Marcus Off als Marjanes Vater einen typischen Softie mit eher weicher Stimme verkörpert, dem man sofort abnimmt, warum er sich nicht gegen den Schah auflehnt. Marjanes Mutter dagegen, von Eva Kryll gesprochen, ist als neutraler Part angelehnt, auch stimmlich. Den aus Exil und Gefängnis heimgekehrten Onkel von Marjane spricht Hanns Zischler mit der hellen, schnellen und abgeklärten Stimme eines Märchenonkels, als wolle er damit die grausamen Dinge abmildern, die er erzählt und die Marjane als Familiengeschichte bewahren soll. Die Sorgfalt bei der Stimmenauswahl setzt sich bis in die Nebenrollen fort. Die deutsche Übersetzung, an die Comics angelehnt, ist nahezu wortgetreu und auch die fremdsprachigen Akzente sind bei der deutschen Fassung geblieben. All das zusammen sorgt für eine wirklich außergewöhnliche Synchronisation. (Andrea Dittgen)

Presse-Kontakt: Esther Baron, BKF, Tel. 0177-6446307