Presse-Streaming

Die Zukunft von vorgestern


Der Kölner Filmverleiher W-film beschreitet mit
Presse-Streamings bald startender Kinofilme ein neues digitales Feld: Neben den
klassischen Presse-Vorführungen in Kinos weniger Städte und dem Versand von
„Screenern“ auf DVD können angemeldete Journalisten sich kommende Filme über
das Internet auf den Heim-Computer „streamen“. Das Presseportal
http://presse.wfilm.de präsentierte als Premiere den Psychothriller „Was du
nicht siehst“ und legt jetzt mit den Dokumentarfilmen „Im Bazar der
Geschlechter“ (produziert von Freibeuter Film, Lichtfilm, WDR und Arte. Kinostart:
4. August) und „Taste the Waste“ (Schnittstelle Köln/Thurn Film, 8. September) nach.

Der kleine Verleih, der einen Nischenmarkt bedient, erweist sich damit als Trendsetter in einem Bereich der Verleiharbeit, der vom Gespenst der Filmpiraterie jahrelang wie gelähmt war. Stephan Winkler, Geschäftsführer bei W-film Filmproduktion und -Verleih, sieht dies sehr gelassen und betont den„Service, der Journalisten schnell die Filmsichtung ermöglicht“. Die Zeit für den DVD-Versand fällt weg, der Kostenfaktor sei nicht so wichtig. Zwar summieren sich 200-400 € für jede von 4 – 7 Pressevorführungen bei einem kleinen Verleih zu einem großen Betrag, doch Pressevorführungen wird es ebenso weiterhin geben wie den DVD-Versand.

Damit liefert W-film eine innovative Antwort auf eine kafkaeske Situation in der Zusammenarbeit von Verleihern und Presse: Momentan erweist sich bei einigen Majors – wenn die Pressevorstellung nicht besucht werden kann – die Raubkopie der US-DVD aus dem Internet oft die beste und einzige Alternative, den Film zu sichten. Bei der grassierenden Piraten-Panik, die mit Kanonen auf duldsame Journalisten schießt, wirkt dieser Schritt in Richtung einer technischen Utopie, die dieser Autor bereits 1994 entwarf, richtig mutig. Stephan Winkler sieht dies jedoch gelassen: Man könne es fast als positiv ansehen, falls einer seiner Filme als Raubkopie größere Verbreitung findet. Außerdem habe man noch eine Anwaltskanzlei, die sich um solche Fälle kümmert.

Der neue Service, der unter anderem auch von Neue Visionen Filmverleih für die nahe Zukunft anvisiert wird, befindet sich zwar noch im Versuchsstadium, ein Ruckeln kann das Abspielen stören, aber für Winkler ist es die logische Konsequenz der Pressearbeit. Und – das muss angemerkt werden -auch notwendig, wenn sich die Verwertungskette bald radikal ändert und Video-on-Demand (VoD) weltweit parallel oder sogar vor dem deutschen Kinostart angeboten wird. Die Funktion der Filmkritik bei der Vor-Auswahl ist hier grundsätzlich bedroht. Wie massiv das nächste große Problem ist, zeigt iTunes, das unweigerlich auch zum Film-Verleih-Portal wird: Die wunderbare iPad-Edition zu Tykwers „Drei“ war als „Pre“-View für Journalisten überhaupt nicht vorgesehen. Selbst wenn die jeweiligen Entwickler oder Verleiher das wünschen, reglementiert der Monopolist Apple den Zugang ohne die Funktion der Presse zu beachten. Hier ist massive und rechtzeitige Aufklärung notwendig!

Günter H. Jekubzik

Der Text erschien in einer kürzeren Fassung in „Film und Medien 4/2011“ der Filmstiftung NRW