The Same Old Song. But with a Diffrent Meaning
oder Wann sind wir denn nun endlich wieder wer?
von Ulrich Kriest
"Die meinungsbildenden Multiplikatoren betreiben direkt oder indirekt die Unterdrückung deutscher Filmkultur, strafen den deutschen Film durch Nichtbeachtung dafür, dass er ihnen nicht das gleiche Schreib-Futter wie die internationalen Filme liefert und führen tagtäglich einen nicht erklärten, aber deshalb nicht weniger brutalen Krieg gegen alles, was hierzulande an Film entsteht, in die Medien und Kinos drängt und sich der tödlichen Umklammerung zu erwehren versucht." (Eckhard Schmidt, 1986)
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Berlinale-Zeit, das ist die Zeit, in der der Film sich nachdrücklich ins Bewusstsein einer größeren Öffentlichkeit drängt, von "Nichtbeachtung" also wahrlich keine Spur. Es ist zudem die Zeit, in der Menschen plötzlich glauben, in Sachen "Zur Lage und Krise des deutschen Films" das Wort ergreifen zu müssen, die dies während der übrigen Zeit des Jahres gerade – durchaus nicht grundlos – nicht tun. 2005 war es eine Schweizer Moderatorin des "Kulturweltspiegels" auf 3sat, die sich bei ihrer Moderation zweierlei Aussagen nicht verkneifen konnte. Der erste Satz lautete sinngemäß: Wie lange wird es wohl noch dauern, bis der deutsche Film nicht länger mit Namen wie Wenders, Fassbinder, Schlöndorff oder Herzog gleichgesetzt wird? Die zweite Frage richtete sich direkt an Christian Petzold, dessen Gespenster im Wettbewerb der Berlinale lief: "Haben Sie Ambitionen nach Hollywood zu gehen?" Petzold reagierte perplex auf diese Frage und erklärte höflich, dass er gar nicht wisse, was er dort solle, weil das Filmemachen in Hollywood seiner Arbeitsweise und Ästhetik geradezu diametral entgegengesetzt sei, da seine Geschichten eine Welthaltigkeit bräuchten, die sich aus den Alltagserfahrungen eines konkreten sozialen Raumes speisten. Doch auch die erste gestellte Frage muss verwundern: Einerseits ist es ja so, dass die Altvorderen – mit Ausnahme von Fassbinder, Kluge, Achternbusch und Syberberg – ja durchaus immer noch Filme drehen. Wenders (Land of Plenty), Schlöndorff (Der neunte Tag), Trotta (Rosenstraße), Herzog (The White Diamond), Reitz (Heimat 3), Thome (Frau fährt, Mann schläft), Ottinger (12 Stühle), Geißendörfer (Schneeland), und Huillet/Straub (Ein Besuch im Louvre) waren 2004/2005 auch in deutschen Kinos zu sehen, teilweise mit recht guten Zuschauerzahlen. Selbst Harun Farocki, Hartmut Bitomsky, Eckhart Schmidt und Klaus Lemke drehen kontinuierlich Filme, müssen sich allerdings nach neuen Aufführungsorten jenseits der Kinosäle umschauen. Es gibt also wenig gründe, bei der Rede über den deutschen Film nicht an diese Namen zu denken. Andererseits gilt aber auch, dass, wer nur an diese Namen denkt, entweder lange nicht mehr im Kino gewesen ist oder aber sich nicht mehr für deutsche Filme zu interessieren scheint. Wofür ja auch die reflexartige Fixierung auf Hollywood mit seinem Starsystem spräche.
Die Lage bzw. die Krise, sie ist nicht so. Tatsächlich kam kaum ein Rückblick auf die Kinosaison 2004 ohne die Worte "Filmfrühling" oder "Kinowunder" aus. Tatsächlich lesen sich die Erfolge deutscher Filme im Ausland und auf Festivals beachtlich: Erst der Oscar für Caroline Links Nirgendwo in Afrika im März 203, dann der internationale Erfolg und die Auszeichnung von Wolfgang Beckers Good Bye, Lenin! Mit dem Europäischen Filmpreis 2003. Es folgten der Goldene Bär für Fatih Akins Gegen die Wand auf der Berlinale 2004, die umjubelte Einladung von Hans Weingartens Die fetten Jahre sind vorbei in den Wettbewerb nach Cannes – elf Jahre nach Wim Wenders' In weiter Ferne so nah! – die Auszeichnung von Gegen die Wand mit den Europäischen Filmpreis 2004 und schließlich die Oscar-Nominierung von Oliver Hirschbiegels Der Untergang sowie den beiden Silbernen Bären für Julia Jentsch und Marc Rothemund (Sophie Scholl) auf der Berlinale 2005. Das zuvor schon deutsche Produktionen von Iain Dilthey (Das Verlangen) oder Dito Tsintsadze (Schussangst) auf kleineren Filmfestivals reüssierten, wird darüber meist schon vergessen. Zur Rede vom Filmfrühling passen die positiven Kassenbilanzen der Kinos: Mit 165 Millionen Kinozuschauern war 2004 ein wirtschaftlich erfolgreiches Jahr. Schaut man jedoch genauer hin, bietet die aktuelle Filmlandschaft eher Anlass für ein Déjà-vu. Wie zu den Glanzzeiten des Neuen deutschen Films in den späten 1970er- und trüben 1980er-Jahren klafft eine eklatante Lücke zwischen den einheimischen Kassenschlagern und den Filmen, die auch im Ausland künstlerisch für Aufsehen sorgen. Ob seinerzeit Schulmädchenreport, Simmel-Verfilmungen, Didi Hallervorden, Gerhard Polt, Marius Müller Westernhagen oder Otto Waalkes oder heutzutage Adolf Hitler, Michael "Bully" Herbig oder – eben – Otto Waalkes, stets wurde der künstlerisch wertvolle Autorenfilm von kommerziellen Box-Office-Hits flankiert, die gern auf bekannte Fernsehgesichter setzen. Der mehrfach prämierte und zudem auch noch wirkungsvoll skandalumwitterte Film Gegen die Wand mit der Ex-Pornofilm-Darstellerin Sibel Kikelli kam trotzdem nur auf 750.000 Zuschauer, während die Verlängerungen der TV-Comedy auf die große Leinwand wie (T)Raumschiff Surprise (9,2 Millionen), Sieben Zwerge – Männer allein im Wald (6,5 Millionen) oder Der Wixxer (2 Millionen) in ganz anderen Dimensionen agieren. Zwischen diese Kassenschlager passte gerade noch der Wiedergänger Adolf Hitler in Oliver Hirschbiegels hochbudgetiertem Der Untergang (4,5 Millionen), der sich viel darauf einbildet, Hitler einmal "menschlich gesehen" aus deutscher Perspektive ins Kino zu bringen und sich dem Massenmörder vorurteilsfrei zu nähern. Ohne "moralischen Zeigefinger" (Joachim C. Fest) sollte diese historische Innenansicht zeigen, "wie es wirklich war", damals im Führerbunker – mit einem hemmungslos chargierenden Bruno Ganz als "the fuhrer". Die zugespitzte Binnenperspektive sorgt für wohliges Gruseln; die Konflikte um Treue und Verrat, Kinder- und Selbstmord und zynische Selbstinszenierung verleiht den Akteuren jene tragische Größe, die sie sich selbst wohl auch gern zugestanden hätten. Weitergehende politische Kontroversen, ästhetische Debatten vermochte Der Untergang dennoch nicht auszulösen. Stattdessen interessierte man sich in Talkshows und Feuilletons dafür, wie es dem Goebbels-Darsteller Ulrich Matthes gewissermaßen stellvertretend für die Nation gelungen war, durch die Übernahme der Rolle des Abbé Henri Kremer in Volker Schlöndorffs Der neunte Tag sich nebst einigen Kilos Körpergewicht "das Böse" im Selbstversuch aus dem Leib zu exorzieren. Bei Schlöndorffs statuarischem Schulfernsehen sind Gut und Böse klar geschieden und selbst die moralische Versuchung durch das Böse bleibt bloß behauptet.
Völlig unbeachtet von der Kritik blieb hingegen die Selbstverständlichkeit, mit der Schlöndorff sich mit der Kamera zum Bildersammeln ins KZ traut. Erst bei Dennis Gansels Napola – Elite für den Führer regte sich heftiger Widerstand. Im Gegensatz zum Konversationsstück Der neunte Tag fungiert das NS-Regime hier nur noch als Kulisse für klassisches Emotionskino übers Erwachsenwerden, über soziale aufstiegsträume und Handeln gemäß einer vorbegrifflichen, instinktiven "political correctness". Von einem entpolitisierten "Club der toten Nazis" war hier die Rede, und unvermittelt tauchte auch der Gedanke auf, vom Filmnachwuchs "ein bisschen Ahnung von den Gedanken und ästhetischen Auseinandersetzungen des Neuen deutschen Films, von seinem Kampf gegen das Schweigen der Väter, gegen die Verdrängungen des Heimatkinos der Fünfziger" (Anke Leweke) einzufordern. Praktischerweise sorgte Wenders für etwas diskursive Kontinuität, als er in einem Text in der "Zeit" die politischen Implikationen des filmischen Erzählens von Hirschbiegel/Eichingers Der Untergang vehement und sehr überzeugend "als Film ohne Haltung" kritisierte. "Wenn man etwas erzählen will, reicht es nicht, zu wissen, wovon man erzählt, dann muss man auch dazu stehen, wie und aus welcher Sicht man es erzählt." Für Wenders bedeutete dieser Text (auch) eine Wiederbegegnung mit dem Historiker Joachim C. Fest, dessen "Hitler"-Film aus dem Jahr 1977 er seinerzeit bereits zornig als "Entertainment" kritisiert hatte. Aus dieser Kritik stammt auch nachfolgende Standortbestimmung, die – ob man es will oder nicht – weiterhin als Ausgangspunkt jeder Auseinandersetzung mit deutschen Filmproduktionen zu dienen hat; "Ich (d.i. Wim Wenders) rede für alle die, die in den letzten Jahren, nach einer langen Leere, wieder angefangen habe, Bilder und Töne zu produzieren in einem Land, das ein abgrundtiefes Misstrauen hat in Bilder und Töne, die von ihm selbst erzählen, das deshalb 30 Jahre lang begierig alle fremden Bilder aufgesaugt hat, wenn sie es nur von sich selbst abgelenkt haben."
Die alte Forderung, im Kino Bilder des eigenen Landes zu zeigen, dürfte weiter aktuell bleiben, umfasst aber auch das wachsende Problem, durch den multimedialen Bilderfluss und durch die Filmgeschichte hindurch zu einer Bestimmung des "Eigenen" zu gelangen. Wenn Peter Dinges, der Vorstandsvorsitzende der Filmförderungsanstalt (FFA), in seiner Jahresbilanz 2004 vollmundig konstatiert: "Die neue Generation der deutschen Filmemacher hat einen eigenen Blick auf die deutsche Geschichte ebenso wie auf die Geschichten des neuen deutschen Alltags gefunden – und den ebenso genial wie unterhaltsam umgesetzt", dann ist diese Feststellung bestenfalls als Ausgangspunkt ergänzender und differenzierter Überlegungen geeignet, schließlich ist ein Internatsfilm im historischen Gewand nur sehr bedingt als "eigener" Blick auf die Geschichte zu werten. Tatsächlich aber dürften die unterschiedlichen Strategien bei der Suche nach "eigenen" Geschichten und Bildern der Schlüssel für den aktuellen Reichtum der deutschen Filmproduktion sein: Da steht dann der opernhaft-expressive, ganz große Gesten nicht scheuende Vitalismus eines Fatih Akin (Gegen die Wand) neben den soziologisch präzisen filmischen Verdichtungen eines Christian Petzold (Wolfsburg) oder eines Michael Klier (Farland). Da stehen die formstrengen, fast asketischen, aber ungemein stilsicheren und –bewussten Filme von Angela Schanelec (Marseille) und Christoph Hochhäusler (Milchwald) neben den Filmen von Sylke Enders (Kroko) oder Michael Schorr (Schultze Gets the Blues), die ältere Strategien "politischen" Filmemachens über die soziale Alltagsrealität aufgreifen.
Da steht das bis ins kleinste Detail hinein gelungene emotionale Gegenwarts-Konzentrat eines Romuald Karmakar (Die Nacht singt ihre Lieder) neben der popkulturell gespeisten Provokationslust eines Christopher Roth (Baader). Das ist die eine Seite. Daneben existieren auch die kurzfristigen Trends, an Moden, die primär in anderen Medien verhandelt werden – seien es die DDR-Vergangenheit oder das 1980er-Jahre-Revival – anzudocken: Wer erinnert sich noch an Kleinruppin forever oder an Verschwende seine Jugend? Es gibt sie auch noch, die Filme, die Alltag nur dann in den Blick bekommen, wenn er sich liebevoll zur aufs Einverständnis des Publikums zielenden Komödie formen lässt. Eierdiebe oder Aus der Tiefe des Raumes seien hierfür exemplarische Beispiele, ebenso wie die Filme, die direkt marktgängige US-Ware mit niedrigerem Budget und B-Film-Personal nachstellen (Asphaltraser). Am publikumsträchtigsten erweisen sich jedoch die Filme, die vorgeben, den offenen politischen gegen-Diskurs zur konstatierten Beliebigkeit zu führen: Die fetten Jahre sind vorbei und Muxmäuschenstill. Bei Hans Weingartner richtet sich das Projekt der "Erziehungsberechtigten" direkt gegen eine Vertreter jener Generation, die sich gleichfalls als Erziehungsberechtigte aufgeführt haben, die "68er". Man entscheidet sich schließlich, die Sache "nicht im Stile der Siebziger" zu erledigen und flüchtet etwas unentschieden ins Abseits der amourösen Privatisierung einer "ménage à trois". Wo Die fetten Jahre sind vorbei aufhören, macht Muxmäuschenstill weiter: auch dies ein Film über die Erziehungsdiktatur eines Kleinbürgers, der sich – das Kant-Brevier im Gepäck – als private Ordnungsmacht aufspielt. Es ist die beängstigende Vision eines selbstgefällig marodierenden Kleinbürgertums, die Marcus Mittermaiers Low-Budget-Film mit seiner bewusst eingenommenen, um Sympathie heischenden Außenseiterposition nicht ganz ungefährlich verdoppelt.
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Kontinuität, wohin man auch blickt. In Eric Rentschlers Textsammlung "Augenzeugen" von 1988 kann man lesen, dass di deutsche Filmkultur wie keine andere "einen so kraftvollen und vielseitigen Korpus von Texten (besitzt), wie ihn die (west)deutschen Filmemacher über das letzte Vierteljahrhundert hinweg vorgebracht hat". An dieser Tradition wurde festgehalten – man lese nur regelmäßig "Revolver" -, aber auch sonst drängt sich beim Durchblättern von "Augenzeugen" ein Kontinuum der immer gleichen Debatten und Konflikte auf. "Achtungserfolge und Bombenerfolge", dazwischen gab es nichts, worauf man sich verlassen konnte", resümierte 1989 der Filmkritiker Michael Althen. Daran har sich wenig geändert, wenngleich Festivalerfolge wie Gegen die Wand oder Die fetten Jahre sind vorbei kurzfristig darüber hinwegtäuschen mögen. Das Mittelfeld der publikumsträchtigen Filme mit Anspruch wie Sommersturm oder Was nützt die Liebe in Gedanken? sind hierzulande noch immer eine Seltenheit – und wirklich innovative Filme wie M.X.Obergs Stratosphere Girl, Hochhäuslers Milchstraße oder Schanelecs Marseille gehen noch immer gnadenlos unter, werden zu Insider-Tipps der "happy few". Für jene mag auch gelten, dass sie längst nicht mehr an "Fassbinder, Herzog, Wenders" denken, wenn die Rede auf den deutschen Film kommt, sondern vielmehr auf "den neuen" Petzold, Schmid, Dresen, Karmakar, Schanelec oder auch Tykwer warten. Dabei scheint vor allem die Möglichkeit eines kontinuierlichen Arbeitens, durchaus auch in unterschiedlichen Medien, eine zentrale Bedingung. Hier sind die Grenzen fließend geworden. In seiner Studie zum "Neunen deutschen Film" hat Thomas Elsässer 1989 (dt. 1994) über das stattlich geschützte Konzept des Autorenfilms rückblickend festgestellt, dass sich "im letzten Jahrzehnt (…) das ganze Bild geändert (hat). Kein einziger der alten Gegensätze besteht mehr. Altbranche und Junger Film sind nicht nur vergangen, sondern auch die Antinomien, Kommerz-Kultur, Hollywood/nationales Kino, Autorenkino/Anderes Kino und sogar Kino/Fernsehen. Stattdessen haben wir die Neuen Medien – Video, Kabel, Satellit -, die zwar nicht wortwörtlich neue Medien sind , aber – um im Jargon zu bleiben – neue Kommunikationssysteme". Betrachtet man demgegenüber die aktuelle Diskurslandschaft rund um die nationale Filmproduktion, muss man feststellen, dass sich der Wandel – und sei es die Semantik zur Beschreibung des Status quo – wohl weitaus differenzierter und widersprüchlicher vollzieht, als Elsaesser dies unterstellte. Vergessen scheint die Debatte um den "amphibischen Film" – die filme- und Fernsehkooperationen – aus den 1970er-Jahren. Schauspieler- und Regiekarrieren verlaufen mittlerweile mit größter Selbstverständlichkeit quer durch die Medien und schließen auch das Theater ein. Die Kariere eines Dominik Graf, der sich zwischen Fernsehen und Kino bewegt, dabei immer experimentell mit den Erfordernissen des Formats umgeht und trotzdem ein Oeuvre mit unverwechselbarer Qualitätshandschrift entwickelt hat, mag hier ein Beispiel sein. Doch auch Christian Petzold hat sich durch die Arbeit fürs Fernsehen die nötige Routine und Präzision fürs Kino geholt. Filme wie Der Skorpion oder Wolfsburg sind Kinofilme, die im Fernsehen laufen. Von zentraler Bedeutung ist auch die Aufhebung der Grenze zwischen Spiel- und Dokumentarfilm, auch dies eine Erbschaft der Glanzzeiten des Neuen deutschen Films. Kluge, Reitz, Wenders und herzog haben kontinuierlich beide Formate genutzt. In ihren Fußstapfen bewegen sich heute Andreas Dresen (Herr Wichmann von der CDU), Romuald Karmakar (196 bpm) und natürlich Andres Veiel, der gerade auf dem Sprung zum Spielfilm ist. Auch diese Neugier und Offenheit kann die notwendige Kontinuität herstellen.
Blätter man in der Geschichte des deutschen Films, stolpert man im Kapitel über die 1980er-jahre über Namen von Filmemachern, die entweder über ein, zwei vielversprechende Filme nicht hinausgekommen sind oder aber enorme Zeiträume zwischen ihren Arbeiten bewältigen mussten: Maria Knilli, Uwe Janson, Mathias Allary, Reinhard Münster, Martin Theo Krieger, Christian Wagner, Jan Schütter, Herwig Kipping oder auch Philip Gröning sind einige exemplarische Namen. Mancher Film, der heute als maßgeblich für eine junge Generation von Filmemachern angesehen wird, wurde seinerzeit fast übersehen; etwa Michael Kliers Überall ist es besser, wo wir nicht sind oder Ostkreuz: Bei den Schauspielern wurde die zeit zwischen 1984 und 1992 dagegen zur Talentsuche und zum Aufbau von Netzwerken genutzt, die mittlerweile reiche Früchte tragen und das aktuelle deutsche Kino zu einem aufregenden Schauspielerkino machen. Von Herbert Kaup, Birol Ünel, August Diehl und Fabian Busch bis hin zu Tom Schilling, Daniel Brühl und Matthias Schweighöfer, von Hannelore Elsner und Katja Riemann über Barbara Auer, Bibiana Beglau und Nina Hoss bis hin zu Laura Tonke und Julia Hummer – allein diese absolut zufällige Reihung vermag das vorhandene Potential zu verdeutlichen.
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Im Februar 2994 veranstaltete die neugegründete deutsche Filmakademie einen Abend zum thema "Was ich am deutschen Film hasse!", der für einiges Aufsehen sorgte. Da ging es dann wieder einmal um Drehbücher, die auf Grund von Quotendenken abgelehnt werden, um fehlenden Mut zur Originalität. Rosa von Praunheim sorgte mit einer "Frankenstein"-Fantasie für allgemeine Erheiterung, als er vorschlug, "das Hirn von Wim Wenders, das Herz von Tom Tykwer, den Schwanz von Andreas Dresen, die Augen von Christian Petzold, den Arsch von Romuald Karmakar und die Galle von Andres Veiel" für die Zukunft des deutschen Films zu kombinieren. Für Dominik Graf, Angela Schanelec, Hans Christian Schmid, Michael Gutmann, Oskar Roehler, Sandra Nettelbeck, Vanessa Jopp, Thomas Arslan, Fatih Akin, Christopher Roth, Christoph Hochhäusler, Sylke Enders, Michael Klier, Oliver Hirschbiegel und viele andere ist in dieser Fantasie durchaus auch genügend Raum vorhanden. Mit der Weltgeltung mag es vielleicht und ruhig noch etwas dauern, aber die aktuelle Vielfalt und Originalität der aktuellen deutschen Filmproduktion macht ausgesprochen neugierig auf die Zukunft. Man geht wieder gerne in deutsche Filme, auch weil oft nicht von vornherein definiert ist, was einen darin erwartet. Es geht, um es mit Christoph Hochhäusler zu sagen, endlich wieder um "ein Kino, in dessen Zentrum Fragen, Bedürfnisse, Probleme, Energien des Lebens stehen. Das gesellschaftlich eine reale kommunikative Rolle spielt. Ein Kino, das diskursiv ist und sein will."