Flugbatt für aktivistische Filmkritik: Positionen

Positionen zum Flugblatt

Untenstehend finden sich erste Positionen zum FLUGBLATT FÜR AKTIVISTISCHE FILMKRITIK.
Mitdiskutieren & Unterzeichen via web@vdfk.de

Below we have collected first reactions towards the PAMPHLET FOR ACTIVIST FILM CRITICISM.
To participate & sign please contact web@vdfk.de 

 

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Thomas Rothschild – via E-Mail

>>Ich unterschreibe das Pamphlet für aktivistische Filmkritik, obwohl mir der folgende Satz in seiner Ausschließlichkeit missfällt:
Sie blickt neugierig auf das vermeintlich Profane, verteidigt das Lustvolle, verdammt das Abgeklärte. Sie negiert den Begriff einer „bloßen Unterhaltung“. Film und Kritik dürfen Spaß machen.
Auch das Abgeklärte muss nicht immer verdammenswert sein. Und der Begriff der „bloßen Unterhaltung“ soll wohl nicht negiert, sondern abgelehnt werden. Zudem bezweifelt niemand, dass Film und Kritik Spaß machen dürfen (im Gegenteil: genau das verlangen angepasste Redakteure). Die Frage ist, ob sie es müssen.<<

 

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Jürgen Kiontke – Jungle World

>>Tolle Sache! Jetzt fehlen nur noch die aktivistischen Filme dazu. Subversiv sollen sie sein, Lügen entlarven und die Automatismen außer Kraft setzen … Wär’ doch ein super Kinoprogramm.<<

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Jörg van Bebber, Dropout Cinema – via Facebook

>>Die Programmkinobewegung war dereinst angetreten, alternatives Kino in all seinen Facetten sichtbar und erfahrbar zu machen. Irgendwann erstarrte das ganze zu Arthouse, einem Markt mit einförmigen Filmen, die auf ein gar nicht so experimentierfreudiges Arthouse-Kernpublikum zugeschnitten sind. Man muss schon einen Starregisseurnamen wie Lars von Trier vorweisen, um mal was Radikales in diesem Arthousemarkt unterzubekommen. Solange sich aber das Kinopublikum in Deutschland nicht ändert, wird es auch keinen anderen Arthouse-Markt geben. In Frankreich hat man ja z.b. ein sehr viel offeneres Publikum, hier hingegen ist der Homevideomarkt extrem stark, das Kino als Kulturinstitution hat nicht so einen hohen Wert.<<

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Thomas Falk, Kameramann – via Facebook

>>Inhaltlich ist das vollkommen richtig. Nur wäre es nötig, die Debatte mit Lesern zu führen, was ein kritischer Journalismus kosten darf.<<

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Christoph Hochhäusler, Revolver – via Facebook

>>Ein selbstbewusstes Manifest der deutschen Filmkritik – aus der Feder von Dunja Bialas, Jennifer Borrmann, Frédéric Jaeger, Claus Löser und Dennis Vetter – das sich bewusst in die Oberhausener Tradition stellt. Gefällt mir.<<

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Neuer deutscher Genrefilm – via Facebook

>>Der Verband der deutschen Filmkritik wehrt sich gegen den Verlust von Kunst durch die zunehmende Arthouse-Normierung des deutschen Kinos. Mehr Arthouse bedeutet weniger Kunst und weniger Vielfalt, das sehen wir ganz genauso. Ebenso, dass unter der Schablone „Arthouse“ längst kaum noch etwas wirklich Mutiges und Kreatives stattfindet.<<

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Michael Jurich, Filmhaus Saarbrücken – via Facebook

>>Die Behauptungen dieses neuesten Oberhausener Manifestes sind wohl niemandem mehr eine nähere Überprüfung wert? Ja, Arthouse-Kino ist etwas anderes als Programmkino. Aber es deshalb gleich als Mainstream zu verunglimpfen? Heute kommen halt nicht mehr Scharen von Zuschauern in die Spätvorstellung mit Marx-Brothers-Filmen. Die Verleihlandschaft ist m.E. deutlich vielfältiger und bunter geworden als noch vor 20 Jahren. Digitale Technik sorgt dafür, dass Filme ins Kino gelangen, die damals not a snowflake’s chance in hell gehabt hätten. Ja, das Repertoire ist weg, die Filmgeschichte. Deswegen sind auch keine großangelegten Retrospektiven mehr möglich (derzeit). Das schaffen nur noch die Festivals mit ihrem Etat und ihren Beziehungen. Und die Kritik? Das klingt jetzt weniger nach konkreter Rezension einzelner Filme oder gern auch von Strömungen / Tendenzen etc. als nach globaler Kulturschelte. Aber OK. Her damit, wir sind gespannt auf die neuen Aktivisten!<<

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Frédéric Jaeger – via critic.de

>>Das Folgenlose ist das Schlimmste, was man – politisch gedacht – dem Kino attestieren kann. Und es fasst wunderbar zusammen, was ich da wahrnehme, jenseits von Oberhausen, jenseits der Festivalinseln und einigen wenigen bemerkenswerten Initiativen. Und ich vernehme ein Rumoren. Ein sich im Netz formierendes Bewusstsein für die Limitierungen, denen der deutsche Kinomarkt unterworfen ist. Ich vermute, dass das Internet hier durchaus einen utopischen Raum öffnet, in dem das Bestehende, das scheinbar Unumgängliche des „Marktes“ nur noch eine leidige Option darstellt. Vielleicht ist es der Effekt einer Filterblase – wie man die Tendenz zu übereinstimmenden Meinungen im (sozialen) Internet nennt –, aber ob ich mich in Oberhausen unterhalte oder im Netz, ich bekomme den Eindruck, dass keiner mehr akzeptieren will, was uns hierzulande als Kino-Vielfalt verkauft wird. „Arthouse“ ist in meinen Kreisen zum Schimpfwort geworden, weil unter diesem Label einer Form von beruhigendem Wohlfühlkino immer mehr Platz in den Programmkinos eingeräumt wurde. Dieses Kino mag im Einzelfall erträglich oder gar gelungen sein, seine Dominanz schadet aber dem gesamten Sektor. Weil es das Experimentelle und das Überraschende verdrängt und weil es das Kino zu einer konfliktfreien Zone macht, in der jeder Diskurs verhindert wird.<<

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Thomas Klingenmaier – via Stuttgarter Zeitung

>>Freundliche Worte sind das nicht, mit denen da die deutsche Kinolandschaft und das Gros der deutschen Filmkritik gleich mit beschrieben werden. Von der „Unterwerfung unter Marktlogik, Zielgruppenrelevanz und politische Interessen“ ist da die Rede, von „ideeller Anpassung“, von der „Förderung von Unwissenheit“ und „Ablösung des eigenständigen Denkens durch Reflexe“. Die Zitate stammen aus einem „Flugblatt für aktivistische Filmkritik“, das am Rand der am Dienstag zu Ende gegangenen 60. Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen entstanden ist.<<

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Rüdiger Suchsland – via artechock

>>Es gibt ein Papier, das nicht Manifest genannt werden will, sondern Flugblatt. Viel­leicht hat man sich da inspi­rieren lassen von den Papier­flie­gern, die bei den dies­jäh­rigen Ober­hau­sener Kurz­film­tagen über die Leinwand huschten. Mit Flug­blät­tern beginnen Refor­ma­tionen und Revo­lu­tionen und so wollen wir diesem Papier Glück wünschen auf seinem Flug durch die Szene. + + + Man kann es hier nachlesen und sollte es auch. Denn auch wer sich an manchen Unschärfen in Ausdruck, Ansicht und Stoß­rich­tung stört, oder den Begriff »Akti­vismus« doof findet, der wird doch zugeben müssen, dass die Ziel­rich­tung stimmt. Die wichtigen Probleme werden benannt: die Lüge des Prag­ma­tismus. Das zum Stammeln herun­ter­ge­kom­mene Reden über Film. Beklagt wird da ganz selbst­kri­tisch der Verfall der Kritik, ihre Zurich­tung auf Dienst­leis­tungen, ihre erzwun­gene Anpassung an Markt­ge­ge­ben­heiten. Der Markt hat aber nicht recht, sondern ist der Feind, das wird hier deutlich.<<

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Filmfest Osnabrück

>>Das Unabhängige FilmFest Osnabrück unterstützt den Verband der deutschen Filmkritik (VdFk) bei seinem Aufruf gegen den zunehmenden Bedeutungsverlust von Filmkritik und unabhängigen Kinoprogrammen in Deutschland, der als “Flugblatt für aktivistische Filmkritik” auf den 60. Internationalen Kurzfilmtagen in Oberhausen veröffentlicht worden ist. Darin mahnen die Filmkritiker, dass “Filmverleiher und Kinobetreiber in den letzten Jahrzehnten das Programmkino aufgegeben und es durch Arthouse ersetzt” haben. Ein alternatives Programm zum Mainstream gebe es fast nirgends mehr. “Mit dem Arthouse hat sich ein konventionelles und formelhaftes Kino durchgesetzt – unter dem Vorzeichen des angeblich guten Geschmacks. Abseits der Angebote der Verleiher bleibt der Kunst nur das Festival.” Weiter heißt es in dem Aufruf des Filmkritiker-Verbandes: “Festivals übernehmen punktuell die Aufgabe von Programmkinos. Gleichzeitig wachsen ihre Legitimationszwänge gegenüber Sponsoren, Verleihern und Förderern. Auch hier droht die Unterwerfung unter Marktlogik, Zielgruppenrelevanz und politische Interessen.” Im Zuge dieser Entwicklung würden Filmkritiker als Dienstleister missbraucht, von denen erwartet wird, dass sie fernab jeder Streitkultur das aktuelle Verleihprogramm weitgehend kritiklos verbreiten. Viele Filmkritiker hätten sich dieser Erwartung des Marktes aufgrund wirtschaftlicher Zwänge anpassen müssen. Um dieser Entwicklung entgegen zu wirken, gründet der VdFk die erste “Woche der Kritik”, die auf der kommenden Berlinale stattfinden soll. Zugleich ruft er zu einer “aktivistischen Filmkritik” auf, die Filme in ihren Markt-, Produktions- und Fördergegebenheiten zeigt sowie kulturpolitische Zustände kommentiert. “Aktivistische Kritik ist subversiv. Sie unterwandert das auf den Lügen des Pragmatismus errichtete Gebäude. Sie setzt die Automatismen von Gefälligkeiten und Gefälligem außer Kraft.”<<

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Toshi Fujiwara, Director / Cinematographer / Film Critic

>>I totally agree to what is stated here. Cinema is quickly losing its freedom and heritage, good films are chased away by pretentious conventional narratives with gratuitous ‚human‘ stories, and especially now film festivals are at risk. It’s doubly problematic for people like myself as we are losing the outlet for what we do, and it’s not a German problem; Berlinale is still among the better ones in this regard. Look at Venice or Cannes. It’s terrible. Sure i’ll share this and also will co-sign, thanks. It’s good to know that some critics are also aware of this huge crisis that we are now facing everyday. Film criticism is important. We can’t continue without the good critical viewpoints and writings on what we do. Thanx.<<

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Celluloid Liberation Front (aka Giovanni Vimercati)

>>While agreeing on most of what you write and propose, I believe that the way the problem is here framed can be misleading, or at least it was for me. The decline of film criticism as you describe it is not a self-contained problem, nor does it exclusively related to the film industry and so do its roots causes. As you rightly suggest in relation to film, so too its crisis should be considered and faced within its larger socio-economic context. The very fact that the act of going beyond appearances, of deconstructing a visual message and confuting its validity (i.e. film criticism) is no longer a viable profession speaks volumes about the world we live in. Western democracies and their newspapers, magazines and websites as a matter of fact can do without film criticism unless the latter morphs into publicity or buzz-generating twaddle. It is quite clear to who is writing that questioning and critical thinking are not very valuable assets to the neoliberal gospel and its preachers who rule undisputed our societies. This leaves „serious“ film critics either unemployed or forced into less noble forms of intellectual prostitution in order not to wait tables (that is unless you are independently wealthy enough so as not have to make a living). This is a reality that no amount of dedicated, critical and anti-commercial criticism will make go away, it would be foolish telling ourselves otherwise. The disproportionate influence that sponsors and profit-driven imperatives have come to play in the film industry is nothing but a reflection of our social predicament. „Serious,“ engaged and truly independent criticism can flourish only in a society that (economically) thrives on debate and allows or even encourages its citizens to cultivate doubt and nurture dissent. That is clearly not the case. Given the preoccupying state Europe is in and the dangerously authoritarian winds that are sweeping its crisis-stricken planes, film and criticism can only degenerate along with all the rest. That is unless we oppose by any means necessary this political, social and cultural decline of which the state of film criticism is, once again, nothing but a reflection. To say it with our colleague Michael Pattison: ‚we have to question the ways in which the film industry reinforces the economically hostile conditions that threaten it to begin with.“ In order to do that, we have to engage with and criticize not only films, but also, and most importantly, the world they originate from. That is not to say that nothing can be done to better the declining working conditions of film critics worldwide. Instead of vaingloriously and individualistically chase a nonexistent „critical fame“ we could organize as film critics, defend our craft and profession from devaluation, making sure resources within the industry are fairly distributed and so on. As form and content are inextricably related in a film, so are the material and intellectual aspects of film criticism in relation to the wider social, economic and political sphere.<<

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Alexandra Zawia – via Wiener Zeitung

>>Nun könnten sich natürlich alle zusammenschließen und sagen, sie machen das so nicht mehr mit, diesen Druck, jede Geschichte haben zu müssen, fast ohne Rücksicht auf Qualität. (Wie es in Assoziationen auch das kürzlich vom Verband der Deutschen Filmkritik verfasste „Flugblatt zur aktivistischen Filmkritik“ anstößt.)<<

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Dennis Vetter – via Eskalierende Träume

>>Beim Publikum liegt das Potenzial, Kinoräume am Leben zu halten und ambitioniertes Kino am Leben zu erhalten. Das wird zu selten getan. Das Fatale daran ist, dass man es eigentlich besser weiß. Die Gesellschaft könnte es besser wissen. Kunsträume funktionieren und ziehen Menschen an. Es gibt unzählige Ateliers. Man bezahlt in Kunsträumen nicht für Zerstreuung, weil man ja eben fähig ist, sich gründlich und aufgeschlossen mit Kunst zu beschäftigen und daran auch Interesse hat. Das soll nun wirklich keine Verteidigung von Museen werden. Aber im Museum werden Werke mit einer respektvollen Aura aufgeladen. Sie sind räumlich und historisch als legitim beglaubigt und alle Instanzen der Gesellschaft sind damit einverstanden. Interaktiveren Kunsträumen und Ateliers wird diese Rolle auch zugestanden. Das Kino dagegen, und darum geht es ja, wird kaum in dieser Form kommuniziert. Es ist auf dem Weg, die Sphäre der Kunst zu verlassen und nur noch wirtschaftlich gedacht zu werden. Das Kino als Geschäftsmodell, der Film als Gewinn- und Verlustrechnung. Mit jedem Film, der keinem anderen Anspruch zu genügen hat, zementiert das Kino sein Verschwinden als Raum, der sich politisch als Sinnträger behaupten lässt. Man unterwandert die eigene Argumentationsbasis, wenn man nicht an seine Stärken glaubt.<<

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Christoph Hochhäusler – via Revolver

>>[…] mit dem Flugblatt „für eine aktivistische Filmkritik”, das vor zwei Wochen auf den Kurzfilmtagen Oberhausen präsentiert worden ist, gibt es zum ersten Mal seit langem wieder so etwas wie eine selbstbewusste Kampfansage – nicht der deutschen Filmkritik, aber doch einer relevanten Fraktion, die nicht zufällig eng verbunden ist mit der Netzcinephilie, von der wir damals nur eine erste Ahnung hatten.<<

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Tim Slagman – via Eskalierende Träume

>>Danke für den Text, vergleichsweise differenziert, nachdenklich, mit nur einem Mindestmaß an Schaum vorm Mund geschrieben. Allerdings würde ich dafür streiten, auch im Stromlinienförmigen, Marktlogischen Ansatzpunkte zur Auseinandersetzung zu finden. Das heißt nicht nur (aber auch) anzuerkennen, dass meinetwegen ein Spielberg zumeist andere, bessere Filme macht als Michael Bay. Es meint aber vor allem, den Mainstream als kulturelles Symptom zu entziffern, seine – keineswegs in jedem Film identische – Ideologie und Funktion zu erschließen. Das ist sehr viel mehr als “nur” Konsum. Und sich dabei unterwegs auch ein wenig mitreißen zu lassen: Wem schadet’s? Es ist wahrscheinlich strategisch nötig, klare Fronten zu schaffen, ob es immer absolut richtig ist, weiß ich nicht. Man gerät leicht in Gefahr, dem Stoff in der Nische eine besondere Qualität zuzusprechen, allein aufgrund seiner Nischenposition.<<

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Dunja Bialas – via artechock

>>Ein anderes Kino, darunter auch das der kommu­nalen Initia­tiven, ist möglich und findet statt – genau das auch ist die Kern­aus­sage des akti­vis­ti­schen Flug­blatts. Ein anderes Kino ist dabei jedoch nicht ohne Subven­tion und persön­li­cher Initia­tive realisierbar – dies fest­zu­stellen folgt einer langen Tradition, die bereits in den 70er Jahren ihren Anfang nahm, in der Zeit, in der das Programm­kino sukzes­sive vom Main­stream abgelöst wurde, und in der sich die große Bewegung der kommu­nalen Kinos formierte.<<

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