Filmkritik ist frei

Presse-Erklärung des Verbands der deutschen Filmkritik
zu Günter Rohrbachs Angriffen auf die Filmkritik
"Das Schmollen der Autisten" (Der Spiegel 4/07 vom 22.1.2007)

 

"Wem dienen die Kritiker" fragt Rohrbach. Die Antwort ist einfach. Sie dienen nicht der Industrie, sondern einer Filmkultur, in der es neben Kassenerfolgen und Unterhaltungsmainstream auch ein breietes Spektrum an ungewöhnlichen, anspruchsvollen, manchmal schwierigen, jedenfalls künstlerisch herausfordernden, eigensinnigen Filmen gibt – und ein Publikum, das das zu schätzen weiß.


Günther Rohrbachs weinerliches Pamphlet "Das Schmollen der Autisten" schadet nicht der deutschen Filmkritik, aber dem deutschen Film und seiner Position im In- und Ausland. Denn auf nichts ist der deutsche Film mehr angewiesen als auf eine Filmkultur, die sich durch Offenheit, Vielfalt und Niveau auszeichnet. Dazu gehört eine selbstbewusste und unabhängige Filmkritik, die sich der Industrie ebenso wenig andient wie filmpolitischem oder gar nationalem Interesse.

Die Vorwürfe Günter Rohrbachs lauten im Kern.

1. Kritiker sind nicht selber Filmemacher.
2. Kritiker haben eine Abneigung gegen den Erfolg.
3. Kritiker sind dem Publikum fern.

Damit bewegt sich Rohrbach leider fast wortgleich in der Tradition des Ressentiments gegen die Kritik, deren Argumente bis in die Zeiten der Gleichschaltung deutscher Kultur und Presse zurückreichen.

Günter Rohrbachs Ausführungen sind ein unerfreuliches Beispiel für Ignoranz und Unverständnis gegenüber der Aufgabe von Kritik. Filmkritiker sind nicht Teil des Betriebs, oder einer Marketingmaschine. Im Gegensatz zu Produzenten profitieren Kritiker nicht vom Erfolg oder Misserfolg eines Films an der Kinokasse. Das gibt ihnen Unabhängigkeit gegenüber dem Produkt – und darum können ihnen die Zuschauer mehr vertrauen als allen Werbekampagnen.

Es wäre bedauerlich, wenn ein Ressentiment à la Rohrbach triumphieren würde. Kritik muss unbequem für die Macher sein – und manchmal stören. Indem sie das ist, dient sie dem Publikum.

Nicht indem sie sich vorauseilend mit seinen niedrigsten Instinkten gemein macht. Nicht nur die Kunst, auch die Kritik ist frei – und muss es bleiben. Hierfür wird sich der VdFk auch in Zukunft einsetzen.

"Wem dienen die Kritiker?" fragt Rohrbach. Die Antwort ist einfach. Sie dienen nicht der Industrie, sondern einer Filmkultur, in der es neben Kassenerfolgen und Unterhaltungsmainstream auch ein breites Spektrum an ungewöhnlichen, anspruchsvollen, manchmal schwierigen, jedenfalls künstlerisch herausfordernden, eigensinnigen Filmen gibt – und ein Publikum, das das zu schätzen weiß.

Saarbrücken/Frankfurt 25.1.2007

 

Rohrbach und die Folgen ist das zweite Schwerpunktthema des Breviers der deutschen Filmkritik im "Jahrbuch 2006 – Lexikon des internationalen Films", das im Schüren-Verlag im Sommer 2007 erschienen ist.

Zur Standortbestimmung der Filmkritik
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Der deutsche Film, seine Produzenten und das Publikum
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