Erinnerung an Hans Helmut Prinzler (1938-2023)

Foto © hhprinzler/vdfk

Im Alter von 84 Jahren ist der Filmhistoriker und Publizist Hans Helmut Prinzler gestorben, der seit fast 25 Jahren auch Mitglied im Verband der deutschen Filmkritik gewesen ist. 

Nach einem Studium der Publizistik, Theaterwissenschaft und Germanistik und einer wissenschaftlichen Assistenz am Publizistischen Institut der Freien Universität Berlin war er ab 1969 Studienleiter an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB). Seit 1979 arbeitete er als Abteilungsleiter bei der Stiftung Deutsche Kinemathek, wo er für Veranstaltungen und Publikationen wie auch für Retrospektiven bei der Berlinale verantwortlich zeichnete. Ab 1990 übernahm er dann die Leitung der Deutschen Kinemathek, ab 2000 zusätzlich die des neu eröffneten Filmmuseums Berlin bis zu seinem offiziellen Ruhestand im Jahr 2006. 

Eine besondere Liebe Hans Helmut Prinzlers galt der Filmliteratur. Auf der Website der Deutschen Kinemathek stellte er regelmäßig sein Filmbuch des Monats vor. Das führte er später auf seiner Website (www.hhprinzler.de) fort. Ein letzter Newsletter mit der Ankündigung des Filmbuchs des Monats Juni landete keine zwei Wochen vor seinem Tod noch im E-Mail-Postfach des Vorstands des Verbands der deutschen Filmkritik.

Auf seiner Website veröffentlichte er neben Buch- und DVD-Besprechungen auch eigene Rückblicke auf die Filmgeschichte. Außerdem archivierte er dort seine gesammelten Redemanuskripte und Textbeiträge aus einem Zeitraum von insgesamt über sechzig Jahren. Auch von ihm so genannte „aktuelle Tageshinweise“ aus dem Bereich der Filmgeschichte und der Filmliteratur fanden sich dort.

Fritz Göttler nennt Hans Helmut Prinzler in seinem sehr persönlichen Nachruf für die Süddeutsche Zeitung vom 19. Juni 2023 einen Mentor, der eine ganze Generation von Filmkritiker*innen geprägt hat. Das lässt sich auch darauf zurückführen, dass Prinzler nicht nur selbst als Autor an zahlreichen Büchern beteiligt war, sondern als Herausgeber und Redakteur von Büchern viele junge Filmkritiker*innen und Filmwissenschaftler*innen als Autor*innen von Textbeiträgen gewinnen konnte. 

Nicht wenige der von Prinzler mitverfassten oder herausgegebenen Bücher sind zu Standardwerken deutscher Filmliteratur geworden. Zu nennen wäre da vielleicht an erster Stelle Prinzlers 1979 gemeinsam mit Hans Günther Pflaum für den Hanser Verlag erstellte zeithistorische Bestandsaufnahme Film in der Bundesrepublik Deutschland, in der es um die Gegenwart des Neuen Deutschen Films, aber auch um dessen Herkunft und historische Grundlagen ging. Die Stil-Epoche des Neuen Deutschen Films hat Prinzler auch in späteren Jahren im Blick behalten, so etwa in dem 2012 veröffentlichten Reclam-Buch Neuer Deutscher Film, das er zusammen mit Norbert Grob und Eric Rentschler herausgegeben hat. 

Auch Prinzlers 1993 im Metzler Verlag erschienene Geschichte des deutschen Films (mit Wolfgang Jacobsen und Anton Kaes) darf zu den Standardwerken gerechnet werden. Zwei Jahre später folgte mit seiner allein verantworteten und ebenfalls bei Metzler verlegten Chronik des deutschen Films ein kalendarischer Aufriss zur deutschen Filmgeschichte von 1895 bis 1994. Als Filmhistoriker war Prinzler stets auch akribischer Chronist.

Für die legendäre blaue Reihe Film im Hanser-Verlag war Prinzler zwischen 1974 und 1990 häufig für den sorgfältig recherchierten Datenteil zuständig, angefangen bei der Monographie über François Truffaut und abschließend bei der Monographie über Friedrich Wilhelm Murnau. Nicht zu vergessen die umfangreichen Kataloge zu den von der Deutschen Kinemathek erstellten Retrospektiven der Berlinale, die er zwischen 1980 und 2006 als Herausgeber und Redakteur betreut hat – zu Regisseuren wie Murnau, Curtis Bernhardt, Ernst Lubitsch, Fred Zinnemann, Rouben Mamoulian oder den Brüdern Curt und Robert Siodmak, aber auch zu zeithistorischen Kontext-Themen wie Europa 1939Das Jahr 1945 oder Kalter Krieg (da ging es um die Zeit von 1948 bis 1972).

Sein kontinuierliches Interesse an der Filmgeschichte zeigte sich ebenso in seiner gelegentlichen Mitarbeit an filmischen Dokumentationen. Auge in Auge wäre hier vor allem zu nennen, 2007 von ihm selbst realisiert, gemeinsam mit dem Filmkritiker Michael Althen als Co-Autor und Co-Regisseur. Der Untertitel dieser Filmdokumentation lautete, wen wundert’s: Eine deutsche Filmgeschichte.

Auch die Geschichte der Filmkritik hat ihn interessiert. Für den in der edition text + kritik erschienenen Band Die Macht der Filmkritik – Positionen und Kontroversen rekonstruierte er 1990 zusammen mit Heinz-B. Heller und Claudia Lenssen eine Geschichte der deutschen Filmkritik von den Anfängen bis in die siebziger Jahre.

Nebenher war Prinzler noch von 1997 bis 2012 in leitender Position in der Abteilung Film- und Medienkunst bei der Akademie der Künste tätig, mal als Direktor, mal als Stellvertretender Direktor. Mitglied der Akademie der Künste wurde er 1996, Mitglied im Verband der deutschen Filmkritik drei Jahre später. Auf seinem VdFk-Kontaktstammblatt findet sich dort in der Rubrik Berufsbezeichnung nur ein einziges Wort: Filmhistoriker. Damit ist alles gesagt, das war sein Selbstverständnis. 

Ein Foto von ihm ist dem Stammblatt beigefügt, es ist das obige. Es findet sich auch als Profilbild auf Prinzlers eigener Website. Auf diesem Foto schaut er „neugierig scheu in die Kamera“, schreibt Fritz Göttler in seinem Nachruf und registriert im Hintergrund auch das von Gerhard Ullmann gestaltete Ozu-Plakat aus dem Filmmuseum München. Yasujiro Ozu zählte zu Hans Helmut Prinzlers Lieblingsregisseuren. Von daher ist auch dieses Foto ein Bekenntnis.

Peter Kremski

Sprecher des Verbands der deutschen Filmkritik

Anmerkung: Auf der Website der Fédération Internationale de la Presse Cinématographique (FIPRESCI) ist der Text auch in englischer Sprache unter diesem Link zugänglich.