von Engin Ertin
„Hang the DJ! Hand the DJ!“ So sang einmal Morrissey, der Sänger der berühmten britischen Indie-Rockgruppe „The Smiths“. Er forderte in seinem zynischen Text, den DJ zu hängen, weil dessen Musik ihm (uns) nichts über sein (unser) Leben sagte. Der Song hieß „Panic“ und drückte Wut gegen die Pop-Kultur aus. Aber was hat das mit der Filmkritik zu tun?
Glücklicherweise ging die Abneigung gegen die Filmkritiker nicht bis zu einem Punkt, an dem jemand vorgeschlagen hätte, den Filmkritiker umzubringen. Wenigstens bis heute nicht. Trotzdem weiß jeder Filmkritiker, dass kaum jemand diesen Job respektiert, dass er und seine Kollegen kaum gemocht werden. So gibt es eine ganze Reihe von Websites und Internetforen, deren Besucher ihrem Hass auf Filmkritiker Luft machen.
Heutzutage besteht die Arbeit der Filmkritiker oft nur noch darin, kurze Inhaltsangaben zu schreiben oder nur auszudrücken, ob sie den Film gut fanden oder nicht. Wenn ein Kritiker einen Film nicht gemocht hat, der beim Publikum gut angekommen ist, ist er der Schlimme, und seine Begründung dafür ist leider völlig egal. Das alles bringt uns zu der Frage, was die Arbeit der Filmkritiker sein sollte. Eigentlich ist sie ähnlich wie die Arbeit eine (guten) DJs. Ein DJ muss sich mit der Musikgeschichte und mit verschiedenen Genres gut auskennen. Er muss einen Song durcharbeiten, interpretieren und daraus etwas Neues erschaffen. Mit anderen Worten: den Dialog zwischen dem Song und dem Publikum erweitern. Das machten einmal die Filmkritiker mit den Filmen. Aber leider ist heutzutage fundierte Filmanalyse marginalisiert und nicht erwünscht. Weder die Tageszeitungen noch das Publikum wünschen seriöse Artikel über Film. Immer weniger Leute haben Interesse an der Filmkritik, und das ist eines der großen Probleme der Filmkritiker überall auf der Welt.
Das war auch Teil einer Tagung auf dem 54. Internationalen Filmfestival Mannheim-Heidelberg. Der Titel der Tagung war „Ethos der Filmkritik“, und Filmkritiker aus verschiedenen Ländern haben über die Probleme der Filmkritik diskutiert. Man fühlt sich wie in einer Gruppentherapie, wenn Kollegen aus ganz verschiedenen Ländern dieselben Probleme erwähnen. Filmkritiker verstehen sich deswegen ganz gut, auch wenn sie in verschiedenen Sprachen schreiben. Aber leider ist es schwer, einen Ausweg zu finden. Der Filmkritik, wie sie sein sollte, kann nur überleben, solange die Filmkritiker das Ethos ihrer Arbeit aufrecht erhalten und gegen den Willen der Medien kämpfen. Da denkt man an einen anderen Song von „The Smiths“ mit einer Referenz an Marx, „Shoplifters oft he world, unite and take over.“ Filmkritiker sind keine Kriminellen, und wahrscheinlich wollen sie auch nicht die Welt erobern, aber vereinigen sollten sie sich schon.
Engin Ertan
© VdFk 2006