Für ihre herausragenden Leistungen in Wissenschaft und Forschung wird die Filmwissenschaftlerin und frühere Filmkritikerin Gertrud Koch mit dem Ehrenpreis der deutschen Filmkritik ausgezeichnet.
Die an der Freien Universität Berlin lehrende Filmwissenschaftlerin prägt mit ihren Schriften und Vorträgen sowie als leidenschaftliche Diskutantin seit vielen Jahren den filmwissenschaftlichen Diskurs im deutschsprachigen Raum und darüber hinaus. Wie sie die politische, philosophische und ästhetische Komplexität des Kinos und verwandter Medien zu analysieren versteht, bietet auch in Zeiten neu geführter Geschlechterdebatten und veränderter Sehgewohnheiten überraschende und wegweisende Einsichten, die weit über die Grenzen ihrer Fachdisziplin hinausreichen.
Mit dieser Auszeichnung würdigt der Verband der deutschen Filmkritik Gertrud Koch für ein Maßstäbe setzendes gedankliches Werk, in dem sich in einzigartiger Form Filmwissenschaft, Filmkritik und die oft verborgene Tradition einer Filmästhetik der Kritischen Theorie verbinden.
In besonderer Weise hat sich Gertrud Koch der Frage einer möglichen oder unmöglichen bildlichen Darstellung der Shoa zugewandt. Darüber hinaus ist ihr Name eng mit der Fortsetzung und Wiederaufnahme der vertriebenen oder vernichteten deutsch-jüdischen Tradition der Filmkritik und Filmtheorie verbunden, für die auch Namen wie Miriam Hansen, Siegfried Kracauer, Theodor W. Adorno und Walter Benjamin stehen.
Zugleich gestaltet sich Gertrud Kochs professioneller Weg parallel zu den Anfängen der feministischen Filmwissenschaft in Deutschland. Als langjährige Mitherausgeberin der Zeitschrift Frauen und Film hat sie großen Anteil an Programm und Ausgestaltung einer der wichtigsten deutschsprachigen Filmzeitschriften. „Warum Frauen ins Männerkino gehen“ lautet einer ihrer bahnbrechenden Texte zur feministischen Filmtheorie.
Gertrud Kochs Interessen sind breit und gehen über das Kino hinaus: Sartre und Marcuse, Psychoanalyse und Pornografie und immer wieder der Diskurs der Geschlechter markieren diverse Pole ihrer Publikationen.
Während ihres Studiums der Germanistik, Soziologie, Philosophie und Erziehungswissenschaften in Frankfurt am Main und auch noch danach hat Gertrud Koch in den 1970er und 1980er Jahren mit Leidenschaft als Filmkritikerin gearbeitet, bereits zu dieser Zeit aber auch als Filmwissenschaftlerin publiziert. Seit Mitte der 1980er Jahre ist sie dann vor allem wissenschaftlich tätig.
Seit 1991 ist sie Inhaberin filmwissenschaftlicher Lehrstühle, zunächst am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaften der Ruhr-Universität Bochum, danach in der Nachfolge von Karsten Witte ab 1999 an der Freien Universität in Berlin. Hier gelang es ihr als zentrale Repräsentantin ihres Fachs in Deutschland die Filmwissenschaft aus ihrem vorherigen Nischendasein zu befreien und als selbstverständlichen Gesprächspartner auf Augenhöhe mit allen anderen Kunst- und Kulturwissenschaften zu etablieren. Noch ihr neuestes Werk Die Wiederkehr der Illusion ist von der Absicht geprägt, den Film in der Kunst der Gegenwart zu verorten.
Der Verband der deutschen Filmkritik würdigt in Gertrud Koch eine kreative Denkerin, die immer mit Neugier und ohne ideologische Scheuklappen agiert. Für sie selbst gilt das, was sie in ihrer Einführung zu Siegfried Kracauer schrieb: Es gilt, ihr Werk immer wieder aufs Neue zu entdecken.
Der Ehrenpreis wird im Rahmen der Verleihung der Preise der deutschen Filmkritik vergeben, die am Montag, dem 24. Februar 2020, während der Berlinale stattfindet. Die Laudationes halten Jutta Brückner und Max Linz.
Veranstaltungsort: Roadrunner’s Paradise Club (Saarbrücker Str. 24, 2. Hinterhof, ganz hinten rechts, 10405 Berlin; U2 – Senefelderplatz)
Einlass: ab 19 Uhr
Beginn der Preisverleihung: 20 Uhr
Zutritt nur auf Einladung.