Porträt: Claude Lelouch 70

Ein Paar, ein Auto und das Radio Filmregisseur Claude Lelouch, der heute 70 Jahre alt wird, brachte einst einen neuen Akzent ins französische Autorenkino Von unserer Redakteurin Andrea Dittgen

Der frühe Erfolg von „Ein Mann und eine Frau", der ihm 1966 die Goldene Palme von Cannes und den Drehbuch-Oscar einbrachte, hat den Franzosen Claude Lelouch geprägt – und das nicht nur im Positiven: War er doch lange als Schnulzenregisseur verschrien. Inzwischen läuft gerade sein 49. Film in den französischen Kinos. Der Autodidakt mit der ungewöhnlichen Biografie wird heute 70 und nicht müde, seine Kritiker zu attackieren.

 „Ein Mann und eine Frau" ist nur vordergründig eine Liebesgeschichte, am eindrucksvollsten sind die langen, rasanten Autofahrten des Protagonisten in seinem offenen Rennwagen, die letztlich die Liebe zum Scheitern bringen. Ob diese Autofahrten wirklich das Vorbild für die Hollywood-Autojagden waren, lässt sich heute nur schwer nachvollziehen, aber Lelouch brachte damit einen neuen Akzent ins französische Autorenkino: eine Mischung aus Realität, Banalität und Emotionen und eine unorthodoxe Art, sie zu filmen. Der 29-jährige Lelouch ist kein Intellektueller, er geht nicht in das Filminstitut Cinémathèque, sondern in die Kinos an den großen Pariser Boulevards, wo die B-Filme laufen.

Einer seiner ersten Kurzfilme, eine Parabel auf den Krieg, bringt ihm 1954 den ersten Preis eines Amateurfilmfestivals ein. Zwei Jahre später fliegt er zu einem Kongress in die USA und dreht dort nebenbei zwei Kurzfilme: einen netten, touristischen, den er ans Fernsehen verkaufen kann, und einen über die USA als kapitalistisches Land, in dem vieles im Argen liegt. Wie er es schaffte, vor der Ausstrahlung die Filmrollen zu vertauschen, ist unklar, jedenfalls wird der anti-amerikanische Streifen gesendet und verursacht viel Wirbel. Der junge Lelouch hat den Ruf eines Kommunisten weg – was ihn jedoch wenig stört.

Der entschlossene junge Mann gründet 1960 seine eigene Produktionsfirma, „Les Films 13", die heute noch besteht. Doch sein erster langer Film wird ein Flop. Lelouch zerstört ihn, weil er einsieht, dass er einfach handwerklich zu schlecht ist. Dem Bankrott nahe, ergattert er eine Stelle beim Fernsehen, bei den Scopitones, dreiminütigen Filmchen zur Illustration eines Schlagers, die Vorläufer der heutigen Videoclips. Zwischen 1960 und 1962 dreht Lelouch etwa 200 solcher Schlagerfilme und finanziert so seinen zweiten Spielfilm „L"amour avec des si" über einen sadistischen Mörder. Er enthält schon die wichtigsten Elemente von Lelouchs Universum: Autos, ein Paar und das Radio als wichtiges Informationsmedium. Sein dritter Film „La femme spectacle" über die Unterdrückung der Frauen, die als Prostituierte in Bars, Revuen und anderen Etablissements arbeiten, wird von der Zensur verboten.

 „Ich drehe Filme, weil ich geliebt werden will", sagte Lelouch einmal. Die Qualität seiner Filme schwankt stark, nicht zuletzt, weil er sich selbst so häufig kopiert und variiert, was vor allem für seine vielen Filme über Paar-Beziehungen gilt, die immer einen Hang ins Klischeehafte haben. Beispiele dafür gibt es einige: So ist „Ein Mann und eine Frau, 20 Jahre danach" (1986) nur ein müder Aufguss seines frühen Erfolges, und „Edith et Marcel" (1983) über Edith Piafs Liebe zu einem Boxer ist zu oberflächlich.

Doch Lelouch drehte auch überzeugende Filme, wie die Bankräuberkomödie „L"aventure, c"est l"aventure" (1972) mit Lino Ventura, Jacques Brel und Johnny Halliday, den Thriller „Le Voyou" mit Jean-Louis Trintignant oder „Der Löwe" (1988) mit Jean-Paul Belmondo als erfolgreichem Geschäftsmann, der aussteigt und andere aufs Kreuz legt. Mit „Roman de Gare" (2007) über den Ghostwriter einer Bestsellerautorin, der aus deren Schatten heraustreten will, legt er einen intellektuellen Krimi vor, den ihm wohl niemand zugetraut hätte. Das ist das große Problem von Lelouch: Die französischen Kritiker mochten ihn noch nie, das Publikum nur manchmal, obwohl sein Neun-Minuten-Kurzfilm „C"était un rendez-vous" (1976), eine rasante und ungeschnittene Autofahrt durch das frühmorgendliche Paris, zum Kultfilm wurde. Und das sehr zur Freude von Claude Lelouch, der weiter als Autor, Regisseur, Produzent, gelegentlicher Kameramann, Cutter und Darsteller in allen möglichen Filmgenres arbeiten will. Als Nächstes hat er eine Fortsetzung von „L"aventure c"est l"aventure" im Visier.

Die Rheinpfalz 30. Oktober 2007

Andrea Dittgen

geboren 1961 in Saarbrücken, Studium der Germanistik, Romanistik und Musikwissenschaft in Saarbrücken, 1989 Promotion in deutscher Sprachwissenschaft, 1986-1991 nicht-gewerbliche Filmarbeit (Vorführung, Programmation, Organisation), Filmkritiken seit 1986, seit 1991 Kulturredakteurin der in Ludwigshafen erscheinenden Tageszeitung "Die Rheinpfalz"; regelmäßige Mitarbeit bei der Zeitschrift "film-dienst", Publikation über den deutschen Stummfilmregisseur Franz Hofer (1999), Mitarbeiterin für Deutschland für das Jahrbuch "International Film Guide" (seit 2007), Beiträge für Filmbücher und Lexika.

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