Interview: Duncan Jones über „Moon“

"Moon" verpackt eine sehr menschliche Geschichte von Einsamkeit und
Identität als Science-Fiction. Was war der Ausgangspunkt für den Film?

Der Ausgangspunkt für Moon war, dass ich mich mit Sam Rockwell
getroffen habe, um über einen anderen Film zu reden! Ich hatte ihm das
Drehbuch für ein anderes Filmprojekt geschickt. Er mochte die
Geschichte, wollte aber eine andere Rolle spielen, als die, die ich ihm
anbot. Ich war aber überzeugt, dass er der richtige für die eine Rolle
war, also haben wir uns darauf geeinigt, dass dieser Film vielleicht
nicht das richtige Projekt für uns beide zusammen ist. Aber während das
Treffens wurde mir klar, dass Sam derjenige ist, mit dem ich meinen
ersten Spielfilm machen will. Wir haben dann darüber geredet, welche Art
von Projekten Sam interessieren und entdeckten unsere gemeinsame Liebe
für älteren Science-Fiction. Sam erwähnte, dass die Helden in diesen
alten Filmen oft einfache Arbeiter sind und dass er eine solche Rolle
gerne spielen wolle; so wie Sean Connery in Outland – Planet der Verdammten oder Bruce Dern in Silent Running – Lautlos durchs Weltall. Ich fand die Idee toll und habe ihm gesagt, dass ich etwas für uns beide schreiben werde… 9 Monate später habe ich ihm Moon geschickt.

Wie lang hat es gedauert "Moon" zu verwirklichen – von der ersten Idee zum fertiggestellten Film?

Insgesamt 2 Jahre. 9 Monate von jenem ersten Treffen mit Sam bis zur
Übergabe des Drehbuchs. 3 Monate nachdem er das Drehbuch bekommen hat
begannen die Dreharbeiten: 33 Drehtage und 8 Tage für die Aufnahmen mit
den Miniatur-Modellen. Die restliche Zeit des zweiten Jahres dann
Schnitt, visuelle Effekte, Ton-Mischung und Filmmusik.

Gab es Zweifler an dem Vorhaben, einen Science-Fiction Film für nur 5
Mio $ fertigzustellen wollen, der nach einem viel höheren Budget
aussieht? Musstest Du viel Überzeugungsarbeit leisten und wie kommt es,
dass Du Dir sicher warst?

Ich denke, was es für meinen Produzenten Stuart und mich einfacher
gemacht hat, ist, dass wir in London fundierte Erfahrungen mit sehr
effektlastigen Werbefilmen hatten. Wenn wir beschrieben haben, was wir
in unserem Spielfilm machen wollen und wie wir es machen wollen, haben
die Leute uns geglaubt und darauf vertraut, dass wir wissen, wovon wir
reden.

Hast Du damit gerechnet oder zu Träumen gewagt, dass "Moon" so viele
Auszeichnungen und enthusiastische Kritiken erhalten würde?

Nein. Wir waren so darauf fokussiert, das Projekt einfach nur
fertigzustellen und es genauso zu hinzubekommen, wie wir es wollten. Wir
hatten gar keine wirkliche Idee, was wir mit dem fertigen Film dann
machen würden. Glücklicherweise hat sich unsere harte Arbeit ausgezahlt:
Der Film hat nicht nur sein Publikum gefunden, er hat ein
leidenschaftliches Publikum gefunden und das nicht nur zuhause, sondern
weltweit!

Würde Kevin Spacey, der dem Computer Gerty seine Stimme leiht, in einem Deiner nächsten Filme jetzt auch vor die Kamera treten?

Ja. Als Moon fertig war, hat er wirklich so viel gesagt. Wir
haben dann tatsächlich gleich nach „Moon“ einen Werbespot zusammen
gemacht. So hatte ich zumindest die Chance, mit ihm einmal vor der
Kamera zu arbeiten, auch wenn es nur für einen Tag war und darum ging
Fotoapparate zu verkaufen.

Weil es für "Moon" kaum Geld für die Vermarktung gab, hast Du selbst
über Twitter viel PR gemacht. Vor einem Jahr, als "Moon" auf dem
Filmfest in München gezeigt wurde, hattest Du ein paar hundert
"Follower", nun sind es fast 19.000. Wie fühlt sich das an?

Über 21.000 jetzt! Twitter ist toll für mich…. Manchmal frustriert
mich die Vermarktung sehr. Da war es sehr nützlich für mich, dass ich
selbst aktiv sein konnte, den Film zu vermarkten. Wo doch niemand sonst
sich so sehr darum zu kümmern schien wie ich. Ich weiß nicht, wie viel
es wirklich bewirkt hat, aber ich denke schon, dass es einen Effekt
hatte. Auf jeden Fall hat es mir das Gefühl gegeben, dass ich etwas für
den Film tue. Auch wenn es nur ist, dass ich Leute überzeuge, den Film
zu sehen. Einen einzelnen Zuschauer nach dem anderen!

"Moon" ist ein "kleiner" britischer Independent Film, "Source Code",
den Du gerade fertig stellst, ist eine große Hollywood-Produktion mit
Jake Gyllenhaal in der Hauptrolle. Das ist ein großer Schritt und er ist
sehr schnell passiert. Hast Du Schwierigkeiten, das zu fassen?

Es ist komisch, weil Du so recht hast… Meiner Meinung nach IST das ein
großer Hollywood-Film, aber laut meiner Produzenten ist das immer noch
ein kleinerer Independent Film – gemäß Hollywood Standards!

"Source Code" wird offensichtlich ein gutes Marketing-Budget haben.
Es wird sich sicherlich ganz anders für dich anfühlen, wenn dieser Film
vermarktet wird. Wirst Du dann etwas vermissen, oder bist Du
erleichtert, dass jemand die Arbeit macht?

Ja, Ich werde etwas vermissen. Moon war so sehr eine
Herzensangelegenheit, für die ich alles getan habe und ich tue immer
noch, was ich kann, um diesen Film zu pushen. Source Code wird
eine große Marketing-Maschinerie hinter sich haben…. und dabei gibt es
auch einige Schauspieler, die dann den Job tun können, den ich bei Moon so gut wie allein gemacht habe. Ich werde immer eine Schwäche haben für all die Anstrengungen und Opfer, die ich für Moon auf mich genommen habe.

"Moon" basiert auf einer Story, die Du selbst geschrieben hast, für
"Source Code" wurdest Du als Regisseur verpflichtet. Könntest Du Dir
vorstellen, zukünftig nur die Drehbücher anderer zu verfilmen?

Nicht nur…nein. Aber wenn das Drehbuch wirklich gut ist und
Schauspieler dabei sind, mit denen ich gerne arbeiten würde, dann könnte
ich mir das eines Tages wieder für mich vorstellen. Aber ganz
wahrhaftig, dieser letzte Film, so erfreulich und lehrreich wie er war,
hat mir selbst klar gemacht, dass ich mich als Autor und Regisseur sehe.
Das ist die Karriere, die ich einschlagen und aufbauen will.

Welche Art zu arbeiten ist eine größere Herausforderung für Dich:
Ein Projekt mit einem kleinen Budget zu stemmen, bei dem man kreativ mit
den knappen Mitteln umgehen muss – oder eher die Verantwortung für ein
großes Budget zu tragen, wo die Erwartungen natürlich höher sind?

Erwartungen sind nicht das Problem bei großen Budgets. Ehrlich gesagt
sind meine eigenen Erwartungen, bei dem was ich mache immer hoch, egal
ob das Budget groß ist oder nicht! Das Problem bei einem größeren Budget
ist die Abneigung gegen Risiko, die die Beteiligten immer zu verhandeln
suchen. Wie könnten sie auch nicht? Je mehr Geld auf dem Spiel steht,
desto besorgter sind sie, dass sie das Massenpublikum vergraulen
könnten, das sie brauchen, um ihr Geld einzuspielen. Der Traum ist, dass
man deiner Kreativität so weit vertraut, dass man deine Entscheidungen
nicht mehr ständig in Frage stellt. Der Weg dahin ist, beständig
erfolgreiche Filme zu machen und in der Entstehungsphase des Projekts
involviert zu sein. Es läuft also wiederum hinaus auf Schreiben und
Regie führen.

Was wird Dein nächstes Projekt sein? "Mute" in Europa? Wie entscheidest Du Dich, wenn Hollywood wieder ruft?…

Mute ist mein Traumprojekt. Eine Science-Fiction Hommage an „Blade Runner“,
die im Berlin der Zukunft spielt. Ich werde weiter am Drehbuch arbeiten
und weiterhin versuchen, den Film zu realisieren. Wenn es nicht voran
geht damit, dann sind da noch ein paar andere Ideen, mit denen ich
herumspiele. Was immer ich auch als nächstes machen werde, ich bin mir
ziemlich sicher, dass ich dafür auch das Drehbuch mit schreiben werde.

Werden bei "Mute" deutsche Schauspieler dabei sein? Gibt es welche, die Du magst und mit denen Du gerne arbeiten würdest?

Sicherlich. Nur Namen kann ich noch nicht nennen. Ich kann nichts über
meine Casting-Ideen verraten, solange ich keine Zusagen habe. Die
deutschen Schauspieler, an die ich denke, sind jedoch weniger bekannt
als man vielleicht annehmen würde, z.B. mag ich Bruno Apitz sehr gern.

Welche Regisseure und Filme inspirieren Dich?
Robert Altmans M.A.S.H.. Die Filme von Terry Gilliam, die frühen Filme von Luc Besson und Ridley Scott, alles von Akira Kurosawa, Fritz Langs M – Eine Stadt such einen Mörder , Park Chan-Wooks Old Boy, das gesamte Werk von Sergio Leone und alles von Pixar. Und noch viel mehr, aber Du ahnst es… eklektisch.

Das Team von "Source Code" ist sicher das größte, mit dem Du bisher gearbeitet hast. Wie war da der erste Tag am Set?

Nun, die Anzahl der Beteiligten variierte während der Dreharbeiten,
abhängig davon, an welchem Teil des Films wir gerade gearbeitet haben,
aber die Atmosphäre war immer gut. Ich habe da immer Glück gehabt. Meine
beiden Filme bis jetzt hatten eine familiäre Atmosphäre beim Dreh. Ich
mag die Ungezwungenheit und Ehrlichkeit dieser Art von Dreh. Der erste
Tag war überraschenderweise sehr entspannt, um ehrlich zu sein. Ich
denke, mein Werbefilm-Hintergrund hat mich in vielerlei Hinsicht für den
ersten Tag eines neuen Drehs vorbereitet. Du lernst einfach die Namen
der Leute und legst los. So lange man weiß, was man will, tendieren die
Dinge dazu, ziemlich schnell anzulaufen.

Welche Arbeitsphase ist Dir beim Filmemachen die liebste, und was würdest Du lieber Deinen Klon erledigen lassen?

Ha! Nun, ich liebe das erste kreative Brainstorming. Die Idee zu haben
und das Rätsel zu lösen, wie man sie umsetzt. Ich arbeite gerne mit den
Schauspielern und ich mag die Arbeit im Schneideraum. Was meinen Klon
angeht? Ich kenne ein paar Produzenten, bei denen ich sehr glücklich
wäre, wenn er sich um sie kümmern würde.

Hast Du immer davon geträumt, Regisseur zu werden, oder hat sich das langsam entwickelt? Hat Dein Vater Dich dabei unterstützt?

Ich kann nur sagen, dass mein Vater ein großartiger Mann ist, und ich
liebe ihn sehr. Er hätte mich immer unterstützt, egal was ich aus meinem
Leben gemacht hätte. Aber ich denke, es entspricht auch der Wahrheit,
dass er erleichtert war, als ich meinen Weg zum Film fand, nach einer
Zeit, in der es so aussah, als ob ich ein Philosophie-Professor werde.
Ich bin auch glücklich drüber. Ich denke, ich mache bessere Filme als
Vorlesungen!

(via Twitter verabredetes und per E-Mail geführtes Interview)

Kirsten Kieninger

Filmschnittmeisterin, Kommunikationswirtin und Filmkritikerin.

Während des Studiums der Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Universität der Künste in Berlin die Vorliebe für das bewegte Bild entdeckt.
Als Diplom Kommunikationswirtin dann beschlossen, das Medium Film wirklich zu begreifen und dahin zu gehen, wo Filme tatsächlich entstehen: in den Schneideraum.
Studium der Filmmontage an der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ in Potsdam-Babelsberg. Seit 2002 Diplom Schnittmeisterin.

Als freie Filmeditorin bevorzugt Schnitt von Dokumentarfilmen, als Autorin vor allem Filmkritiken und Essays, Festivalberichte und Interviews (u.a. für Rhein-Neckar-Zeitung, kino-zeit.de, Film&TV Kameramann).

Besonderes Interesse für die Konstruktion und Wahrnehmung von Wirklichkeit im Film und die Repräsentation von Realität im Dokumentarfilm - immer auch mit Blick auf die Kunst der Filmmontage.

Engagiert im Programmrat des Karstorkino Heidelberg.

FIPRESCI-Juries:
DOK Leipzig 2012
Thessaloniki Documentary Festival 2013
Flahertiana Documentary Festival Perm 2014
Thessaloniki Documentary Festival 2015

www.gegenschnitt.de
www.kirstenkieninger.de