Hintergrund: Deutsche Hollywoodfilme

Ich war auch mal in Amerika Warum im Oktober gleich drei Hollywood-Filme deutscher Nachwuchsregisseure in unsere Kinos kommen Von unserer Redakteurin Andrea  Dittgen

Der Mystery-Thriller „Die Vorahnung" mit Sandra Bullock machte vergangene Woche den Anfang, diese Woche kommen mit der Neuverfilmung des Horrorstreifens „Invasion" (mit Nicole Kidman) und der Sex-Händler-Geschichte „Trade" (mit Kevin Kline) zwei weitere Hollywood-Produktionen deutscher Nachwuchsregisseure ins Kino. Die Häufung legt nahe, dass Hollywood-Produzenten womöglich im Gefolge des Oscars für „Das Leben der Anderen" ein Faible für die Deutschen entdeckt haben. Doch der Schein trügt.

 „Der Untergang" (2004), für den Auslands-Oscar nominiert, war in Amerika ein Film, der diskutiert wurde. Regisseur Oliver Hirschbiegel (1957 in Hamburg geboren) war zwar nicht bekannt, aber der Film war – unabhängig von der politischen Diskussion – handwerklich gut gemacht. So bekam Hirschbiegel das Angebot, „Invasion" zu drehen, die mit Nicole Kidman und Daniel Craig besetzte (dritte) Neuverfilmung des Horror-Klassikers „Invasion of the Body Snatchers" (1956), in dem Menschen völlig emotionslos werden, wenn sie erst einmal ein Serum aus dem Weltall im Körper haben. Ob Regisseur Hirschbiegel die erste Wahl war, ist nicht bekannt. Tatsache ist jedoch, dass Hollywood immer auf der Suche nach neuen, jungen, günstigen Regie-Talenten ist – egal aus welchem Land sie kommen.

Der Thriller „Lautlos" (2004) von Mennan Yapo (1966 in München als Sohn türkischer Eltern geboren) war selbst in Deutschland kaum bekannt und wenig erfolgreich, in Amerika war er nur als DVD erhältlich. Dass Yapo es trotzdem geschafft hat, mit der Regie des Mystery-Thrillers „Die Vorahnung" betraut zu werden (Inhalt: Eine Frau sieht kurz nach dem Unfalltod ihres Mannes diesen lebendig in ihrer Wohnung agieren), hat wohl auch mit seiner Beharrlichkeit zu tun. Nur in Insiderkreisen – in Deutschland wie in Amerika, dort auf DVD – machte „Sommersturm" (2004), die Geschichte eines Homosexuellen-Coming-Outs, von Regisseur Marco Kreuzpaintner (geboren 1977 in Rosenheim) Furore. Sein Film ist Kunstkino: poetische Bilder, sehr gefühlvoll erzählt.

Kreuzpaintners US-Film „Trade – Willkommen in Amerika" ist auch eher etwas fürs Programmkino: Es geht um ein internationales Netzwerk von Gangstern, die junge Frauen kidnappen, um sie in einem fremden Land zu Prostituierten zu machen. Produzent ist Roland Emmerich, der deutsche Erfolgsregisseur („Independence Day"), der Ende der 80er Jahre nach Hollywood ging und es dort ganz nach oben schaffte. Da Emmerich den Film nicht selbst drehen wollte und nun einem jungen deutschen Kollegen eine Chance gibt, verhält es sich in diesem Fall anders als bei Yapo und Hirschbiegel. Denn in den USA lebende deutsche Regisseure haben schon häufiger jungen Kollegen eine Chance gegeben: zuletzt Wim Wenders, der 2006 das US-Debüt von Holger Ernst (geboren 1972 in Hessen), „The House Is Burning", produzierte, das auch in Deutschland ins Kino kam.

Der Traum aller: Hollywood

All das ändert jedoch nichts daran, dass es eher Zufall ist, dass die drei Hollywood-Filme der Deutschen Yapo, Hirschbiegel und Kreuzpaintner nun innerhalb von zwei Wochen hierzulande in die Kinos kommen. Die drei liegen altersmäßig jeweils zehn Jahre auseinander, ihre Ausbildung ist unterschiedlich, ihre Auffassung vom Kino auch – bis auf den Traum, den fast alle haben: Hollywood. Dass sie zusagen, wenn sie ein entsprechendes Angebot bekommen, ist nur allzu verständlich und hat nichts damit zu tun, dass sie Deutschland amerikanisieren wollen. Bei allen dreien dauerte es etwa drei Jahre seit ihrem letzten Erfolg, was im üblichen Hollywood-Rahmen liegt. Und sie sind nicht allein.

Schließlich gibt es noch den ehemaligen Werbefilmer Marcus Nispel (1964 in Frankfurt geboren), der schon zwei Hollywood-Filme drehte: das Remake des Horrorfilms „The Texas Chainsaw Massacre" (2003) und den Wikinger-Film „Pathfinder" (2006), der im März in den deutschen Kinos lief.

Aber Hollywood holte fürs Mainstream-Kino auch junge Regisseure aus anderen europäischen Ländern: aus Frankreich Alexandre Aja für den Horrorfilm „The Hills Have Eyes" (2006), aus Italien Gabriele Muccino für die Komödie „The Pursuit of Happyness" (2006), aus Spanien Juan Carlos Fresnadillo für den Science-Fiction-Film „28 Weeks Later" (2007), aus Schweden Mikael Hafström für den Horrorfilm „Zimmer 1408" – die Liste ließe sich beliebig fortsetzen, durchaus auch mit Regisseuren aus Osteuropa und Asien.

Einige Jahre Geduld

Doch die wenigsten ausländischen Regisseure schaffen es, in Hollywood dauerhaft Fuß zu fassen. Dafür muss man schon einige Jahre Geduld haben. Roland Emmerich und Wolfgang Petersen, die in den 80er Jahren nach Hollywood gingen, haben zuerst für Independent-Produzenten gearbeitet, bevor sie von den großen Studios gebucht wurden.

Ob sich bei Yapo, Hirschbiegel und Kreuzpaintner ein ähnlicher Durchbruch einstellen wird, muss eher bezweifelt werden, bekommen ihre Filme doch zu Recht schlechte Kritiken, und große Publikumserfolge sind sie auch nicht. Das mag daran liegen, dass die neuen Regisseure einfach nicht die Klasse haben, gar nicht haben können, die deutsche Regisseure früher hatten, nämlich jene, die erst nach Amerika gingen, als sie in Europa erfolgreich waren. Beispiele gibt es einige: Ernst Lubitsch (er ging 1924 in die USA, nach gut 40 Filmen in Deutschland) oder Friedrich Wilhelm Murnau (er war ab 1927 in Hollywood, nach 17 Stummfilmen in Deutschland) oder auch Wilhelm Dieterle aus Ludwigshafen (er wechselte 1931 in die USA, nach 15 deutschen Filmen).

Wer wirklich in Amerika Erfolg haben will, muss auch dort leben – so wie es ein anderer junger deutscher Regisseur gegenwärtig vormacht: Oscar-Preisträger Florian Henckel von Donnersmarck („Das Leben der Anderen", an eine US-Neuverfilmung wird schon gedacht) ist mit seiner Familie nach Hollywood übersiedelt und hat dort nun einen Erotik-Thriller im Visier.

Die Rheinpfalz 18. Oktober 2007

Andrea Dittgen

geboren 1961 in Saarbrücken, Studium der Germanistik, Romanistik und Musikwissenschaft in Saarbrücken, 1989 Promotion in deutscher Sprachwissenschaft, 1986-1991 nicht-gewerbliche Filmarbeit (Vorführung, Programmation, Organisation), Filmkritiken seit 1986, seit 1991 Kulturredakteurin der in Ludwigshafen erscheinenden Tageszeitung "Die Rheinpfalz"; regelmäßige Mitarbeit bei der Zeitschrift "film-dienst", Publikation über den deutschen Stummfilmregisseur Franz Hofer (1999), Mitarbeiterin für Deutschland für das Jahrbuch "International Film Guide" (seit 2007), Beiträge für Filmbücher und Lexika.

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