So haben Kinobesucher den Publikumsliebling Hans Albers lange nicht gesehen: In der Rolle des Kolonialpolitikers Carl Peters macht sich der schöne Blonde Sorgen „um das deutsche Blut“, verteilt Ohrfeigen, wenn Engländer und Juden Deutschland beleidigen, und reist nach Afrika, um „die Neger“ aus ihrer Primitivität zu befreien. Im März 1941 wurde „Carl Peters“ in Hamburg uraufgeführt, nach dem Krieg wurde der Propaganda-Streifen verboten. Am Montag war er im Rahmen eines Filmseminars im Bremer Kino 46 zu sehen.
„Die Opferideologie des Nationalsozialismus im Film“, lautet der Titel der Veranstaltung, die von der Landeszentrale für politische Bildung initiiert wurde und noch bis Donnerstag im Kino 46 läuft. „Das Kino war in allen Phasen nationalsozialistischer Herrschaft ein Produzent von Opfer-Idealen“, erklärt der Nürnberger Medienpublizist Herbert Heinzelmann, der die Filmreihe begleitet. „Immer wieder wurde in populären Filmproduktionen an den Opfergeist der Deutschen appelliert – bis hin zur kitschigen Verherrlichung des Todes.“ Die heutige Auseinandersetzung mit den Filmen des Dritten Reiches sei wichtig. „Nach solchen Beispielen müsste der demokratische Bürger mit Skepsis reagieren, wann immer ihm Opfer abverlangt werden“, so Heinzelmann.
In „Carl Peters“, der 1940 unter der Regie von Herbert Selpin zu großen Teilen auf Rügen entstand, ist es Hans Albers als Carl Peters, der das Opfer für Deutschland bringt: Wie der historische Peters gründet er auch im Film 1894 die Kolonie Deutsch-Ostafrika, jedoch weniger aus kaufmännischem Interesse, sondern weil er aus rassistischen Gründen für seine Heimat neuen Boden gewinnen will. Sein Werk kann der Film-Peters nicht vollenden, da er durch hinterlistige Intrigen von Engländern, Sozialisten und Juden zum Rücktritt gezwungen wird. „Besonders interessant ist die letzte Szene des Films, in der die charismatische Führergestalt Peters einem Parlament gegenübersteht, dass als chaotische Quasselrunde gezeichnet wird“, sagt Medienpublizist Herbert Heinzelmann. Das Publikum im Kino 46 zeigte sich am Montagabend belustigt und erschüttert zugleich, wie unverhohlen und plump nationalsozialistisches Gedankengut während eines Unterhaltungsfilms über die Leinwand flimmert.
Wie wichtig Propagandaminister Joseph Goebbels die ihm direkt unterstellte Filmproduktion erachtete, ist aus zahlreichen Reden und Tagebuchaufzeichnungen ersichtlich: Kino nutze nicht nur als „Kraftquelle“ für ein durch Krieg ausgezehrtes Volk, sondern solle auch als „erzieherisches Mittel“ eingesetzt werden, schrieb Goebbels. Regelmäßig nahm er direkten Einfluss auf die Filmproduktion im Dritten Reich. Das Ergebnis sind berüchtigte Streifen wie „Jud Süß“ von 1942, der Juden mit Ratten gleichsetzt, oder „Kolberg“ von 1944, der das Sterben für Deutschland als höchstes Glück auf Erden glorifiziert.
Auch „Hans Westmar“, der gestern im Rahmen des Filmseminars im Kino 46 gezeigt wurde, zählt zu dieser Reihe fragwürdiger Filmklassiker: Bereits 1933 unter der Regie von Franz Wenzler entstanden, schildert er die Märtyrerlegende um das SA-Mitglied Horst Wessel, das einst die NS-Hymne „Die Fahne hoch“ schrieb und 1930 unter ungeklärten Umständen ermordet wurde. „Dieser Film ist das Zentralwerk der nationalsozialistischen Opferideologie“, sagt Herbert Heinzelmann. „Er spielte eine entscheidende Rolle für den Opferkult und die späteren Rituale in der Nazi-Partei.“
Im Rahmen des Filmseminars läuft heute um 18 Uhr Viktor Tourjanskys „Feinde“ aus dem Jahr 1940. Das Drama zeichnet deutsche Familien an der deutsch-polnischen Grenze als Opfer bösartiger Polen. Hitlers Überfall auf das Nachbarland wird in „Feinde“ als Befreiungstat verkauft. Am morgigen Donnerstag zeigt das Kino 46 „D III 88“ von 1939. Regisseur Herbert Maisch erzählt von zwei jungen Fliegern, die in Gefangenschaft geraten und sich entscheiden müssen, ob sie ihr Leben für Deutschland opfern wollen. Finanziert wurde „D III 88“ von der Luftwaffe. In die Filme wird jeweils durch einen Vortrag eingeführt. Im Anschluss findet eine Diskussion statt.
Erschienen im Weser Kurier.