Das Damengambit

„Schach“ heißt das Spiel, das für Beth nicht nur ein kurzes Vergnügen bleibt, sondern ihr Leben radikal bestimmen wird. Schon mit 9 Jahren braucht das neunmalkluge Waisenking nur wenige Partien, um ihren Lehrmeister zu besiegen.

Wie durch ein Wunder überlebt Beth den Autounfall, der ihrer Mutter das Leben kostet. Fortan muss die 9-Jährige in einem Waisenhaus leben. Während ihrer Streifzüge durch das Gebäude entdeckt sie eines Tages den Hausmeister Mr. Shaibel, der in ein ominöses Brettspiel mit schwarz-weiß kariertem Muster und interessant geschnitzten Figuren versunken ist. Angefixt setzt sich Beth dazu. Der finstere Eigenbrötler ist davon allerdings erst einmal gar nicht angetan und jagt sie davon. Doch Beths Faszination ist stärker! Sie lauert Mr. Shaibel so lange auf, bis dieser sich schließlich erbarmt, die Kleine zu fördern. Und Beth ist so talentiert, dass sie schnell zu einer lokalen Berühmtheit aufsteigt.

Doch alles ändert sich, als Beth mit 15 adoptiert wird. Jetzt muss sie sich mit einer alkoholsüchtigen Adoptivmutter herumplagen, die das seltsame Hobby ihrer Ziehtochter skeptisch beäugt. Erst als Beth unter Beweis stellt, dass sich ihr Talent durch die erzielten Gewinne auch finanziell lohnt, erhält sie in ihrer Adoptivmutter unerwartet eine Verbündete. Die Serie folgt nun ihrer Aufstiegsgeschichte, die von Rückschlägen und auch von Einsamkeit gezeichnet ist. Beth, die schon im Waisenhaus mit Rauschmitteln in Form von Beruhigungstabletten in Berührung kam (Sie „halfen“ den Kindern beim Einschlafen), ist – wie ihre Adoptivmutter – dem Alkohol zugeneigt. Auf ihrem Weg an die Spitze legt sich Beth also auch immer wieder selbst Steine in den Weg: durch ihre als aneckend empfundene Art, ihre oft als Herablassung missverstandene Kühle sowie die aufkeimende Tabletten- und Alkoholabhängigkeit. Schlussendlich wird sie ihrem persönlichen Endgegner, dem russischen Weltmeister, Auge in Auge gegenübersitzen – und es geht um alles!

Dass eine (junge) Frau in den späten 1950er- und 1960er-Jahren professionell und sehr erfolgreich Schach spielt, irritiert. Als Beth nach einem ihrer ersten Achtungserfolge interviewt wird, löchert sie eine Journalistin deshalb auch direkt mit Fragen nach ihrem Frausein in einer männerdominierten Szene. Das irritert wiederum Beth, denn sie will sich eigentlich nur auf das Spiel und den Sieg konzentrieren. Die Fremdwahrnehmung kollidiert hier also mit ihrer Selbstwahrnehmung. Doch genau daran wird sie sich gewöhnen (müssen) und fortlaufend immer wieder von ihrer Umwelt daran erinnert werden, dass sie als Mädchen und später als Frau keine ebenbürtige Behandlung erwarten darf. Beths Schlachtfeld ist also nicht nur das Schachbrett, sondern die sozialen Rahmenbedingungen ihrer Zeit.

Anfangs noch eine eigensinnige Außenseiterin, muss Beth im Zuge vielfacher Schicksalsschläge und Niederlagen einsehen, dass sie auf die Hilfe anderer (vor allem Männer) angewiesen ist. Von der fokussierten Einzelkämpferin, die keinen Wert auf hübsche Kleider oder Freundschaften legt, entwickelt sie sich immer mehr zum Starlet, das in eleganten Roben und betörend klimpernden Wimpern die männlichen Gegenspieler irritiert. Sie beugt sich gewissermaßen den gesellschaftlichen „Spielregeln“, um an die Spitze zu gelangen.

Sehenswert ist „Das Damengambit“ allerdings nicht nur wegen der interessanten, weil vielschichtigen Protagonistin, dem doppelten Boden ihrer vermeintlichen Emanzipation und dem behandelten Thema der Suchterkrankung. Allen voran die Optik der Miniserie ist ein wahrer Augenschmaus, dem man sich gerne widerstandslos hingibt: Die Kostüme, die Szenenbilder, die Farbgebung – detailverliebt werden die 50er-Jahre wieder zum Leben erweckt. Und natürlich sind es auch die atemberaubenden Schachpartien, die durch pointiert inszenierte Blickduelle in den Bann ziehen.