Eine bestechend simple, aber wirksame Plot-Konstruktion: Zwei ungleiche Brüder, der ältere ein pflichtbewusster Soldat mit Muster-Familie, der jüngere ein abseitiger Loser mit krimineller Energie und Knastvergangenheit. Dann geht der Vorzeige-Sohn im Kriegseinsatz in Afghanistan verschollen und wird für tot erklärt, der bislang als schwarzes Schaf Gescholtene übernimmt Verantwortung, kümmert sich um Frau und Kinder des Vermissten. Eine Liebesgeschichte nimmt ihren Anfang, der eine Bruder nimmt den Platz des anderen ein. Und dann kehrt der Totgeglaubte urplötzlich mit posttraumatischer Belastungsstörung aus dem Krieg zurück.
Einen Bruderkonflikt von archaischer Wucht haben die dänische Regisseurin Susanne Bier und ihr Drehbuchautor Anders Thomas Jensen 2004 erdacht. Ihr vom Dogma-Stil inspiriertes Melodram „Brødre“ liefert nun die Grundlage für eine Verfilmung des Stoffes im großen Hollywood-Stil: Die Kassenmagnete Natalie Portman, Jake Gyllenhaal und Tobey Maguire spielen die Hauptrollen in „Brothers“, der laut Vorspann auf dem dänischen Original „basiert“, in Wahrheit aber ein waschechtes Remake ist. Denn Regisseur Jim Sheridan übernimmt nicht nur die grobe Szenenabfolge, sondern kopiert den Vorgänger bis hin zu kleinsten Ausstattungsdetails wie den Handwerker-Handschuhen, die dem Knastbruder beim Schlittschuhlauf mit seinen Nichten aus der Jeans-Tasche hängen.
Dennoch müssen selbst Freunde des europäischen Arthausfilms neidlos anerkennen, dass „Brothers“ der eindeutig bessere Film ist. Was bei Susanne Bier noch eine vage Skizze war, erlangt in der US-amerikanischen Bearbeitung dramatische Tiefe und menschliche Authentizität: Drehbuchautor David Benioff hat das Drama im Mittelklasse-Amerika der Suburbs verortet und den Brüdern zum Beispiel einen von Sam Shepard verkörperten Vater auf den Leib geschrieben, der seine Vietnam-Erfahrung nie verdaut hat – eine Figur, die dem dänischen Original fehlt und die dem Brüderzwist eine zusätzlich politische Brisanz verleiht. Der aus Irland stammende Regisseur verzichtet auf die hektischen Schnitte und Kameraschwenks, die Susanne Bier oft zu Hilfe nimmt, und lässt Konflikte aus eigener Kraft wirken. Und nicht zuletzt sind – mit Verlaub – die Schauspieler einfach besser: Portman, Gyllenhaal und Maguire als spannungsgeladenes Dreieck – noch nie waren diese Jungstars wohl so gut wie hier. Erschienen in Szene Hamburg, Februar 2011