Offener Brief des Verbands der Deutschen Filmkritik zur Rettung des deutschen Filmerbes
an Bernd Neumann, Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien
und Monika Grütters, Vorsitzende des Kulturausschusses des Deutschen Bundestages
Sehr geehrter Herr Neumann,
Sehr geehrte Frau Grütters,
am 12. Mai 2011 kommt mit „Metropolis“ ein Meilenstein der deutschen und internationalen Filmgeschichte in einer restaurierten Fassung wieder ins Kino. Die schnelle und professionelle Rekonstruktion der ursprünglichen Intention von Fritz Lang zeugt von der hohen Leistungsfähigkeit der Archive in diesem Land. Die Finanzierung dieses ambitionierten Projekts, bei dem sich das BKM erfreulicherweise mit 200.000 Euro beteiligt hat, zeigt auch, dass die Erhaltung des deutschen Filmerbes und dessen Auswertung als wichtiger, unverzichtbarer Teil unserer Kultur nicht alleine aus den gegenwärtigen Etats der Filmarchive bestritten werden kann.
Das Modell der Erhaltung der Filme aus dem Rechtestock der Murnau-Stiftung ist durch die Programmpolitik der Fernseh-Sender, die kaum noch Lizenzen ankaufen, in die Schieflage geraten. Spektakuläre Neufassungen wie „Metropolis“ oder „Die Nibelungen“ werden künftig ebenso wenig möglich sein wie die kontinuierliche Restaurierung weiterer Kopien aus dem wertvollen Bestand.
Im Bundesarchiv/Bundesfilmarchiv sind durch die permanenten Kürzungen des Etats in den vergangenen Jahren rund 100 Planstellen weg gefallen. Dazu kam der Solidaritätsbeitrag des Archivs für den Wiederaufbau der Herzogin-Amalia-Bibliothek in Weimar. Dadurch ist das international hoch geachtete Archiv heute personell kaum noch in der Lage, notwendige Sicherungs- und Erhaltungsmaßnahmen durchzuführen. Wertvolle Bestände geraten in Gefahr, wenn durch Personalmangel die Filmrollen nicht regelmäßig auf ihren Erhaltungszustand überprüft werden und keine Mittel für deren Erhalt zur Verfügung stehen.
In den kommenden Jahren steht zudem die Digitalisierung der Filme an, für die die Archive zusätzliches Geld benötigen. Denn sonst droht, dass nur einige, die populären Titel weiter für das Publikum zugänglich sind. Neu- und Wiederentdeckungen von Filmen werden kaum mehr möglich sein. Dies zeichnet sich bereits jetzt ab. Der Vorstand der DEFA-Stiftung, Helmut Morsbach, beklagte Ende 2010, dass die Stiftung mit Blick auf die Einnahmen zunächst die Titel digitalisiert, die vom Fernsehen ausgestrahlt werden sollen. Erst später kann die digitale Bearbeitung weiterer wichtiger Titel aus dem Stock der DEFA in Angriff nehmen.
Wir bitten Sie, sehr geehrter Herr Neumann, im Interesse des Zugangs künftiger Generationen zum deutschen Filmerbe, Ihr Versprechen aus dem Februar 2006 in einem Interview mit der Zeitschrift „Filmecho/Filmwoche“ wahr zu machen, die Filmarchive nicht zu vergessen.
- Stellen Sie die Finanzierung der Arbeit der Murnau-Stiftung neu auf! – Stoppen Sie den finanziellen Aderlass des Bundesfilmarchivs als Herzstück der deutschen Filmarchivlandschaft und setzen Sie sich in den Haushaltsverhandlungen für 2012 und 2013 dafür ein, dass dessen Etat kräftig erhöht wird!
- Stellen Sie ab 2012 die Mittel ein, damit nach internationalem Standard endlich ein zentrales Register aller in Deutschland produzierten Filme eingerichtet wird!
- Erarbeiten Sie in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Kinematheksverbund ein Konzept, um die Digitalisierung der Bestände zu unterstützen!
Wir hoffen, dass unsere Initiative die Unterstützung des Kulturausschusses des Bundestages findet. Eine kostenneutrale Lösung dieses drängenden Problems, wie sie vom Ausschuss beschlossen wurde, ist nicht möglich.
Mit freundlichen Grüßen
Andrea Dittgen
Verband der deutschen Filmkritik
geschäftsführender Vorstand