Berlinale-Direktor Dieter Kosslick sagt Teilnahme an VDFK-Symposium ab

Berlinale-Direktor
Dieter Kosslick hat seine Teilnahme am vom Verband der deutschen Filmkritik
(VDFK) organisierten Symposium zu Lage und Zukunft der Berlinale abgesagt. 

Nach
seiner mündlichen Zusage im Frühjahr sind offenbar Befürchtungen eines zu kritischen Podiums entstanden; die Ankündigung der
Veranstaltung durch den Verband, so Kosslick in seiner Absage, lese sich „wie
eine Einladung zum Tribunal“.
Davon
kann nach VDFK-Auffassung keine Rede sein. Der Verband hat Dieter Kosslick
jedoch, um seine Befürchtungen auszuräumen, eine freie Redezeit von durch ihn
zu bestimmender Länge angeboten; dieses Angebot hat er ausgeschlagen. Der VDFK
bedauert Dieter Kosslicks Entscheidung sehr. Seinen Gegenvorschlag zu einer „gemeinsamen Veranstaltung“ im kommenden Jahr hält der VDFK für nicht praktikabel, die Vorbereitung der Veranstaltung mit Diskussionen um das gegenwärtige Programm und Visionen für die Zukunft der Berlinale ist zu weit fortgeschritten. Gerade Dieter Kosslicks Vorstellung von der weiteren Gestaltung des Festivals, von der er, wie Ende August bekannt wurde, bereits Kulturstaatsminister Bernd Neumann überzeugt zu haben scheint, hätte sicher zu einem intensiven Austausch geführt.

Den Briefwechsel zwischen Dieter Kosslick und dem VDFK können Sie hier lesen.


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Susanne Wienemann im Auftrag von Dieter Kosslick an den VDFK
Berlin, 27. September 2011
Betrifft: VDFK-Veranstaltung

Lieber Hanns-Georg,

Vielen Dank für Euren Brief. Ich habe mich gefreut, dass Ihr darin eine andere Sprache gewählt habt und habe erneut erwogen, Euch doch zur Veranstaltung zuzusagen. Euer ärgerlicher Ankündigungstext steht jedoch noch immer auf der VDFK-Webseite, dies wird und wurde nach wie vor wahrgenommen. Ich denke daher, dass sich die Vorzeichen für die Veranstaltung aktuell nicht geändert haben und ein konstruktiver Dialog am 13. Oktober nicht zustande kommen kann.

Ich bin noch auf Reisen, melde mich aber nach meiner Rückkehr am Donnerstag. Lass' uns dann über eine mögliche zukünftige Veranstaltung reden.

Viele Grüße

Dein Dieter
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VDFK-Brief an Dieter Kosslick
Berlin, 23. September 2011
Re: Kosslick-Brief zum VDFK-Symposium


Lieber Dieter, 

unser Symposium zu Situation und Zukunft der
Berlinale (und damit auch der großen Festivals allgemein) war von Anfang an mit
Dir geplant – und die Wichtigkeit Deiner Anwesenheit zeigt sich schon allein
darin, dass wir die Veranstaltung um Deinen Termin herum gebaut haben. 

Es ist richtig, dass wir in der
Vorbereitungszeit mehr miteinander hätten sprechen müssen. Es ist richtig, dass
wir in der Ankündigungskommunikation eine andere Reihenfolge hätten einhalten
sollen. Es ist uns nun klar, dass der Duktus unserer ersten Ankündigung bei
Euch Irritationen ausgelöst hat – was wir uns nicht vorstellen konnten, weil
wir es nicht so gemeint haben. Und wir bitten um Entschuldigung, dass wir es
versäumt haben, Dir eine schriftliche Einladung zu schicken. 

Wir stehen nun also vor der Frage, wie wir
weiter verfahren. Aus dem Gespräch mit Frauke, Anke und Christoph haben wir
entnommen, dass Ihr die Wirkung der ersten Ankündigung so einschätzt, dass
danach ein vorbehaltloses, offenes Gespräch nicht mehr stattfinden könne.
 

Wir sahen (und sehen) das nicht so – aber
letztendlich geht es darum, beschädigtes Vertrauen wieder herzustellen, und
deshalb haben wir uns Gedanken darüber gemacht. Wir bieten Dir deshalb an, den
Ablauf der Veranstaltung zu ändern und ein ganz neues Element einzuführen –
speziell, um Euren Verdacht eines „Tribunals“ auszuräumen. 

Nach dem Einführungsreferat (über die Lage
der Berlinale und anderer großer Festivals in diesen Zeiten des Umbruchs) würde
das Podium Dir gehören, für eine Einschätzung der Lage des Festivals, seiner
Probleme und seiner Zukunftschancen. Du hättest 20, 30 oder 40 Minuten, soviel
Du brauchst. Daran würde sich eine Diskussion anschließen, Du und die Kollegen
im Publikum, plus ein Moderator. 

Wir sind sicher, dass eine Veranstaltung
nicht von Vorankündigungen geprägt wird (die außerdem nur einen begrenzten
Kreis erreicht haben), sondern von der Veranstaltung selbst und den Berichten
darüber. Oben genannte Form gibt allen Argumenten eine faire und ausführliche
Chance, sich Gehör zu verschaffen – und abgesehen von der Form können wir uns
nicht vorstellen, dass ein Dieter Kosslick, eloquent und selbstbewusst wie er
ist, die Debatte scheut. Dieses Symposium jedenfalls ist neugierig auf alle
Aspekte des Berlinale-Machens, von Euren Prämissen bei der Auswahl über die
Schwierigkeiten der Programmierung bis zu den Erwartungen der Produzenten und
der Politik.  

Wir haben auch Dein Angebot hin- und her
gewendet, sich „in gebührendem Abstand zusammen zu setzen und über eine
mögliche gemeinsame Veranstaltung zu sprechen“. Letztendlich halten wir das
nicht für praktikabel, aus mehreren Gründen:

–  Die
Vorbereitungen für den 13. Oktober sind schon weit gediehen, Termin- und
Reisepläne müssten storniert, ein Großteil der Einladungsarbeit neu geleistet
werden.

– 
Das
oben erwähnte „Zusammensetzen“ könnte bei der bekannten Terminknappheit aller
vor der Berlinale 2012 kaum mehr stattfinden.

–  Ein
Termin im nächsten Frühjahr erscheint unwahrscheinlich, denn nach der Berlinale
gehst Du erst einmal in Deinen wohlverdienten Urlaub – und wenn Du
zurückkehrst, stecken die Kollegen bereits in Cannes-Vorbereitungen.

–  Effektiv
bedeutet dies, dass solch ein Symposium erst im kommenden Herbst stattfinden
könnte, und das ist uns um einiges zu spät. Jetzt
ist der richtige Zeitpunkt.

Ich denke, wir sind uns einig (um Dich zu
zitieren), dass die Kultur- und Filmkritik als Gradmesser für die öffentliche
Resonanz der Berlinale unverzichtbar ist, und (um das auch einmal zu betonen)
bei aller Einzelkritik ist das Feuilleton Dein wichtigster Verbündeter bei dem
Anspruch, auch in Zukunft ein Festival zu haben, das sich nicht im Herankarren von
Stars an den Roten Teppich erschöpft. Diese alten Verbündeten, die sich in
letzter Zeit auseinander gelebt haben, haben am 13. Oktober die Chance, zu
einem tieferen Verständnis zu finden und alte Gemeinsamkeiten neu zu entdecken
– aber nur, wenn Du anwesend bist.

Mit den besten Grüßen
Hanns-Georg
zusammen mit Andrea Dittgen, Katharina
Dockhorn, Rolf-Rüdiger Hamacher und Frédéric Jaeger

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Brief Dieter Kosslick an den VDFK-Vorstand
Berlin, 19. September 2011
Betreff: Symposium 13. Oktober 2011

Lieber Hanns-Georg,
liebe Katharina Dockhorn,
lieber Frédéric Jaeger,

als ich in der letzten Woche von meiner USA-Reise zurückkam, erwarteten mich bereits zahlreich irritierende Anfragen bzgl. der Ankündigung des VDFK-Symposiums am 13. Oktober. Ihr Verband hatte eine Mitteilung verschickt und um Medienberichterstattung zum Termin und zur Veranstaltung aufgerufen (was z.B. auch auf kino-zeit.de getan wurde).

Dies veranlasste mich, nun noch mal grundsätzlich meine Teilnahme an der Veranstaltung zu überdenken.

Wie bereits über Frauke Greiner übermittelt, bin ich über die Kommunikationsweise und den Duktus des Ankündigungsschreibens des VDFK nachhaltig irritiert. Im Vorfeld war mündlich von einem auch durchaus konträren aber partnerschaftlichen, offenen Austausch über das Verhältnis von Festivals, in diesem Fall der Berlinale, und Filmkritik die Rede.

Die Pressemeinung und die Positionen von Journalisten finde ich nach wie vor sehr wichtig. Und die Kultur- und Filmkritik ist als Gradmesser für die Resonanz ebenso unverzichtbar. Über Kritik, insbesondere Kunst- und Filmkritik kann man auch geteilter Meinung sein. Aber egal wie weit die Positionen auseinander liegen, so bieten sie in jedem Fall ein wichtiges Element für eine differenzierte Betrachtung. Dass Filmfestivals ebenso wie die Filmkritik im Wandel begriffen sind, rückt uns näher als es auf den ersten Blick erscheint. Ein kritischer Austausch mit gegenseitigem Respekt ist daher naheliegend.

Mit dieser Grundhaltung habe ich dem mündlich vereinbarten Symposium grundsätzlich zugestimmt. Lange Monate erfolgte nichts und wir hätten da sicher auch hartnäckiger nach der Konkretisierung des Symposiums nachfragen sollen. Aber angemessen war es auch nicht, dass das nächste und bislang einzige Zeichen die VDFK-Ankündigung war, über die wir weder vorab informiert wurden noch dass sie uns zugesandt wurde. Frauke Greiner hat dem VDFK unsere Verärgerung über diese Vorgehensweise und auch über den aggressiven Stil des Textes mitgeteilt. Einige Verbandsmitglieder schienen selbst Kritik am Text zu haben, dennoch steht dieser bis zur Stunde so unverändert auf der Webseite des VDFK. – Im Übrigen habe ich auch bis heute kein offizielles Einladungsschreiben des VDFK erhalten.

Die VDFK-Ankündigung und die Vorgehensweise geben leider wenig Zuversicht für ein vorbehaltloses, offenes Gespärch. Der Text liest sich wie eine Einladung zum Tribunal. Und diese Einschätzung haben nicht nur wir, sondern auch Außenstehende. Wie uns vermittelt wurde, gibt es zudem wohl einzelne VDFK-Mitglieder, die die Veranstaltung tatsächlich eher als reine Berlinale-Kritik betrachten. Andere Mitlieder wiederum scheinen auch nicht zufrieden zu sein, wie der VDFK das Symposium angekündigt hat.

Nach diesem missglückten Kommunikationsstart sehe ich nicht, dass momentan die Voraussetzungen für einen offenen und konstruktiven Dialog gegeben sind. Ich kann daher meine Teilnahme am Symposium am 13. Oktober nicht zusagen. Ich schlage vor, dass wir uns mit gebührendem Abstand zusammen setzen und über eine mögliche künftige gemeinsame Veranstaltung sprechen. Denn der Austausch mit der Filmkritik ist mir nach wie vor ein wichtiges Anliegen.

Ich bitte Sie, diesen Brief an Ihre Mitglieder zu schicken, um meine Motivation und meine Überlegungen, warum ich nciht am aktuell geplanten Symposium teilnehme, zu übermitteln.

Ihr Dieter Kosslick

Foto: Copyright Berlinale