Die erfolgreiche Schauspielerin Marcelline (Valeria Bruni Tedeschi) befindet sich mitten in einer Sinnkrise: Nicht nur, dass sie kurz vor ihrem 40. Geburtstag steht, sie will auch einfach keinen Zugang zu ihrer Figur in Andreij Turgenjews Komödie „Ein Monat auf dem Lande“ finden. Ihr ganzes Leben erscheint ihr plötzlich wie ein böser Traum aus dem sie aufwacht um festzustellen, dass sie zu Gunsten ihrer Karriere auf das Wichtigste im Leben verzichtet hat: eine Familie zu gründen. Panisch beginnt sie die heilige Maria anzuflehen, ihr doch endlich den Mann fürs Leben zu schicken. Begleitet wird sie dabei von den pragmatischen Ratschlägen ihrer nicht altern wollenden Mutter, die Marcelline wärmstens empfiehlt, doch einfach wieder mit ihrem Ex anzubändeln. Ehefrau hin oder her.
„Actrices“ trägt ebenso wie Bruni Tedeschis erster Spielfilm „Eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr…“ autobiographische Züge. Waren es in ihrem Erstling vor allem die Konflikte mit ihrem reichen Elternhaus und dessen Umfeld, die sie in den Mittelpunkt des Geschehens stellte, so ist es in „Actrices“ das Problem, die richtige Balance zwischen Beruf und Privatleben zu finden. Insbesondere Künstler, so Bruni Tedeschis These in diesem Film, können keine wahre Balance zwischen den beiden Polen finden, da sie entweder zu sehr für die Kunst brennen und ihr reales Leben dahinter verschwimmt, oder zu sehr mit den Anforderungen des Lebens beschäftigt sind, um wahre Kunst zu schaffen. Marcelline verkörpert in „Actrices“ jenen Typ, der sich für die Kunst entschieden hat und plötzlich, als sie keine Befriedigung mehr aus der Schauspielerei zieht, Angst bekommt, die falsche Entscheidung getroffen zu haben. Sie scheint sich nirgendwo mehr zu Hause zu fühlen, weder auf der Bühne noch in ihrem realen Leben. So beginnt sie sich in absurde Tageträume zu flüchten, ihren Verflossenen hinterher zu weinen und mit der Figur aus Turgenjews Komödie absurde Gespräche zu führen. Ihre ehemalige Schauspielkollegin Nathalie, die sie nach Jahren bei den Proben wieder trifft, durchlebt hingegen genau die entgegengesetzte Entwicklung. Sie hat sich nach der Schauspielschule für die Familie und gegen die Karriere entschieden. Doch jetzt, als sie das Leben der erfolgreichen Kommilitonin sieht, glaubt sie ebenfalls etwas verpasst zu haben. Glücklichweise versucht Bruni Tedeschi in ihrem Film nicht dem Zuschauer den einen, wahren Sinn des Lebens aufzudrücken, sondern stellt die beiden Entwürfe und deren tragikomischen-panischen Versuche, das vermeintlich Verpasste nachzuholen lediglich gegenüber. Und schafft dadurch mit „Actrices“ einen Film, der mehr als das bloß komödiantische Porträt zweier knapp 40-Jährigen in der Sinnkrise ist, sondern einen klassischen französischen Ensemble-Film, der unterhält und amüsiert.
Bettina Schuler