Streiter fürs Neue Deutsche Kino: Ron Holloway tot

Ron Holloway (26.11.1933 – 16.12.2009)

(aus: Die Welt, 17.
Dezember 2009, Autor: Hanns-Georg Rodek)

Eine
neue, gute Sache braucht immer einen neuen, guten Namen, um sich
durchzusetzen. Als sich die Wenders, Herzog und Fassbinder einen
Namen zu machen begannen, wurde auch das Fachblatt "Variety"
auf sie aufmerksam. Die "Bibel des Schaugeschäfts" hatte
einen Korrespondenten in Hamburg, einen früheren Priester aus
Chicago, der fand diese neue deutsche Welle an- und aufregend und
prägte einen Titel für sie: "New German Cinema". Sein
Name war Ron Holloway.

Er begnügte
sich nicht mit dem Kritikenschreiben. 1976 stellte er eine Tour mit
deutschen Filmen zusammen, die durch 30 US-Kinos tingelte und den Weg
für die weltweite Wertschätzung ebnete, die dieser Periode des
deutschen Kinos heute entgegen gebracht wird.

Das war im
selben Jahr, in dem der neue Berlinale-Direktor Wolf Donner den
Osteuropa-Spezialisten Holloway in sein Auswahlgremium berief. Ron
brachte eine geheime Liste vielversprechender Titel mit, und die
beiden fragten in Moskau so lange, bis die Apparatschiks ihnen
endlich einen zeigten: Larissa Schepitkos "Aufstieg". Auf
einem Hotelklo unter fortwährendem Ziehen der Spülung – der
Abhörwanzen wegen – besprachen sie ihre Strategie und bekamen den
Film tatsächlich. "Aufstieg" gewann den Goldenen Bären.

Holloway war
ein unermüdlicher Festivalfahrer, 25 pro Jahr von Russland über
Korea bis Südamerika waren keine Seltenheit. Seine spätere Frau
Dorothea Moritz, Schauspielerin und Mitherausgeberin seines Magazins
"Kino – German Films", lernte er in Karlovy Vary kennen;
danach machte er noch seinen Doktor der Theologie und war ansonsten
der Kirche verloren.

Holloway
drehte selbst Filme – wie über den Regisseur Sergej Paradschanow –
und war ein unermüdlicher Kontakteknüpfer: Für die "Erotic
Tales" überzeugte er Regisseure von Mika Kaurismäki über Ken
Russell bis Susan Seidelman (deren "Dutch Master" eine
Oscar-Nominierung erhielt). Gestern ist Ron Holloway, der im Mai noch
einmal sein geliebtes Cannes absolvierte, 76-jährig in Berlin
gestorben.