Nachruf Rolf Thissen

03. Juni 1948 – 18. November 2014

Es
hat, bei aller Trauer, auch etwas poetisch-tröstliches: Die
Vorstellung, dass Rolf Thissen
mit seinem, ihm zwei Wochen später gefolgten, Kritiker-Weggefährten
Bodo Fründt nun im Cineasten-Himmel sitzt und sie wieder gemeinsam
Filme drehen. Auf Erden hatten die beiden von 1983 bis 1993 eine
Produktionsfirma („Nord-Süd-Film") in der sie u.a.
Dokumentationen über Francis Ford Coppola, Michael Cimino und Martin
Scorsese für die ZDF-Sendereihe „Filmforum" herstellten und
sogar mit „Aus unseren Ateliers" eine eigene Sendereihe bekamen.
Davor hatten sich ihre Wege schon in der legendären Filmredaktion
des „Kölner Stadtanzeiger" gekreuzt, in die der am 3.6.1948 in
Aachen geborene Rolf Thissen.

nach
seinen ersten filmischen Fußstapfen im studentischen Filmclub der
TH Aachen und seiner Karriere als Experimental-Filmer – sein Kurzfilm
„On the road again" wurde 1969 in Oberhausen ausgezeichnet – 1976
eingestiegen war. Nach seinem Umzug 1980 nach München war er dann
als freier Print-Journalist (u.a. „tip", „Abendzeitung") für
das Kino-Magazin des Bayerischen Fernsehens („KinoKino"), als
Projektentwickler und Public Relations-Manager für
Filmproduktionen(u.a. „Rossini", „Das Experiment") tätig.
Daneben schrieb er zahlreiche Filmbücher über Schauspieler
(Veronika Ferres, Eddie Constantine, Heinz Erhardt) und Regisseure
(Stanley Kubrick, Howard Hawks, Russ Meyer), übersetzte die
Filmbücher englischsprachiger Autoren (u.a. Cameron Crowes „Hat
es Spaß gemacht, Mr. Wilder?"). Diese Bandbreite zeugt auch von
Rolfs über alle Genres und Filmschaffenden-Generationen
hinwegreichender Liebe zum Kino, mit der er auch nicht cinephile
Leser durch seine launige, aber nie oberflächliche Schreibe,
anstecken konnte.

Zwei
seiner Publikationen wurden sogar zu Standardwerken der deutschen
Filmliteratur: „Pioniere und Prominente des modernen Sexfilms"
(1983) und „Sex (v)erklärt – Der deutsche Aufklärungsfilm"
(1995). Ein Buch über Leni Riefenstahl, in dem ihm der Nachweis
ihrer Kollerabation mit den Nazis gelang, sollte sein publizistisches
„Meisterstück" werden. Doch kurz vor der „Deadline"
erschien Riefenstahls eigene Biografie und der Verlag zog den Auftrag
zurück.

Das
nagte zwar tief in ihm, konnte aber seine unter Kollegen
bekannte sprichwörtliche Lebenslust nicht schmälern. Die begann morgens
immer mit dem Ritual des Kaufs der Tageszeitung und einer Packung
„Roth-Händle" und endete abends nicht selten bei ihm zuhause, wo
der passionierte Hobby-Koch seine Freunde bewirtete. Auch das Streben
nach Harmonie gehörte zu den liebenswerten Eigenschaften des
„Ordnungsfanatikers": seine früheren Frauen und Beziehungen samt
mittlerweile 29jähriger Tochter vereinte er gerne auf
Familienfesten um sich. Und nachdem er vor neun Jahren in der
Event-Managerin Vera Conrad eine neue Seelenverwandte kennengelernt
hatte, zog er der Liebe wegen 2010 wieder in die rheinische Heimat.

Von
dort trat er jetzt, nach vielen Ausflügen in sein (auch wegen der
Küche) geliebtes Frankreich und Italien seine letzte Reise an: Am
18.11.2014 besiegte ihn der Krebs.

(Rolf-Rüdiger
Hamacher)