Nachruf Peter W. Jansen

Peter
W. Jansen (11.11.1930 – 15.11.2008)

Er
war einer der profiliertesten Filmkritiker Deutschlands und hat viele
von uns inspiriert, Filme anders zu sehen.



 



(aus:
derFreitag, 20.11.2008, Autor: Thomas Rothschild)



 


Es
besteht weitgehend Übereinstimmung in der Einschätzung, dass sich
die Filmkritik in den vergangenen Jahren gewandelt hat. Es ist eine
Generation nachgewachsen, die im Umgang mit dem Film anderen
Kriterien folgt als die Generationen davor.


Peter W.
Jansen gehörte zu den Cinephilen im eigentlichen Wortsinn. Für
Jansen war der Film eine Kunstform, mit der sich intellektuell
auseinanderzusetzen lohnte, deren sperrige Exemplare der
journalistischen Förderung bedurften, die ihren Rang neben den
älteren Künsten behaupten sollte. Dafür aber war es auch nötig,
den Unrat, der mit der Filmkunst lediglich die Tatsache teilt, dass
er mittels eines Apparats auf eine Leinwand projiziert wird, ins
Abseits zu verweisen – sei es, indem man ihn ignoriert, sei es, indem
man ihn als bloße Ware kennzeichnet und vom Film als Kunst
ausdrücklich unterscheidet.


Peter W.
Jansen hat zusammen mit dem langjährigen Redakteur der Frankfurter
Rundschau Wolfram Schütte die längst legendäre "Reihe Film"
herausgegeben und in ihr auch als Autor seine Spuren hinterlassen.
Diese vorbildliche Buchreihe, die eine in Frankreich lange zuvor
selbstverständliche seriöse Filmliteratur auch in Deutschland
etablieren wollte, stellt nicht weniger dar als ein Kompendium der
wichtigsten Regisseure der Filmgeschichte bis in die achtziger Jahre
hinein. Hätte Jansen sonst nichts geleistet – es wäre mehr als die
meisten seiner Kollegen vorzuweisen haben. Aber Peter W. Jansen war
ein Mann des Rundfunks, in der Fernsehsendung aspekte, die ebenso wie
die Filmkritik ihren Charakter seither verändert hat, vor allem aber
im Hörfunk, der doch für das Medium Film am allerwenigsten geeignet
zu sein scheint.


Für den SWR,
wo er nach Stationen in mehreren Zeitungs- und Radioredaktionen ein
ungewöhnlich aufgeschlossener Hauptabteilungsleiter für Kultur
wurde, erfand er Jansens Kino. In halbstündigen Beiträgen stellte
er Meilensteine der Filmgeschichte – genauer: der Geschichte des
abendfüllenden Spielfilms – vor. In einer Montage von Dialogauszügen
in Originalfassung und in deutscher Übersetzung (wo das Original
nicht deutsch war), von Sprecherpartien und von Musik ließ Peter W.
Jansen die Filme vor dem geistigen Auge des Hörers (wieder)erstehen.
Doch er beschränkte sich nicht auf die übliche Erzählung der
Fabel, sondern ging stets ausführlich auf die Machart der Filme ein,
auf Besonderheiten der Kameraführung und der Schnittfolge, des Tons
und des Lichts. Mehr noch: Er fügte Informationen über das
historische Umfeld und über Produktionsbedingungen sowie über die
Rezeption der Filme ein. Er zitierte Absichtserklärungen und
theoretische Positionen der Macher. Und er unterstrich, was an dem
jeweiligen Film die Entwicklung vorangetrieben hat. So ergab sich
Sendung für Sendung ein zugleich unterhaltsames und lehrreiches
Panorama, das ganz ohne Tratsch auskam. Dabei schaute Jansen über
die Grenzen des Films hinaus, zu Literatur und Musik, bildender Kunst
und Philosophie.


Peter W.
Jansen hat vor 50 Jahren über den Schriftsteller Joseph Roth
promoviert. Die Dissertation wird noch heute in der Forschung
zitiert. Joseph Roth schrieb noch einmal drei Jahrzehnte zuvor: "Mein
privates Herz schlägt in einer sentimentalen (und jüngst wieder
unmodern gewordenen) Weise für die kleinen Wesen, denen man befiehlt
und die gehorchen, gehorchen, gehorchen, und läßt mich selten zu
der Objektivität für die großen gelangen, die befehlen, befehlen,
befehlen." Wer dem sanftmütigen, freundlichen Peter W. Jansen
einmal begegnet ist, weiß – dieser Satz hätte sein Lebensmotto sein
können.


Am
vergangenen Samstag ist Peter W. Jansen im Alter von 78 Jahren
gestorben.