Notizen zum Kino 5: Brauchen User Kritiker?

Brauchen User Kritiker?
Ökonomie, Rezeption, Wandel des Berufsbildes

Erste Diskussion im Filmhaus in Berlin am 20. November 2008

An dem Podium nahmen teil: Thierry Chervel, Perlentaucher
Frédéric Jaeger, Redakteur bei www.critic.de (VDFK)
Hanns-Georg Rodek, Filmredakteur der Tageszeitung Die Welt (VDFK)t
Ines Walk, Redakteurin bei www.moviepilot.de, www.film-zeit.de  (VDFK)
Moderation: Claudia Lenssen, Filmkritikerin (VDFK)

Claudia Lenssen: Hanns-Georg Rodek, als dem einzigen festangestellten Filmkritiker in dieser Runde würde ich zuerst gern dich fragen, wie weit sich das Berufsbild verändert hat, seit es das Internet gibt?

Hanns-Georg Rodek: Ich finde es schon mal interessant, dass wir hier über das Berufsbild reden. Wie ich vor kurzem einer Umfrage entnehmen konnte, gibt es angeblich in Deutschland nur etwa zwei Dutzend freie Autoren, die vom Schreiben über Film leben können. Ich glaube, die Voraussetzungen, unter denen man den Beruf Filmkritiker ausüben kann, haben sich in den letzten zehn, fünfzehn Jahren tatsächlich extrem verschlechtert. Der Einfluss des Internet hat sich allerdings erst in den letzten fünf Jahren manifestiert, seitdem die klassischen Medien immer mehr Wert auf das Online-Angebot legen. Ob man will oder nicht, es wird dann an einen herangetragen, seinen Artikel, den man für das Blatt geschrieben hat, noch einmal für die Online-Ausgabe zu überarbeiten.

Claudia Lenssen: Geraten die Texte, die Du schreibst, in der Online-Ausgabe der Zeitung in Konkurrenz zu anderen Formen?

Hanns-Georg Rodek: Eine Konkurrenz gibt es insofern, als der Text, der im Printmedium das Haupt­element war, online nur ein Element von vielen ist. Wenn man auf die Website meiner Zeitung geht, gibt es neben dem Text meist die Verlinkung auf eine Bildergalerie, die mit den Film im weitesten Sinn zu tun hat, oder zum Archiv, wo man Texte zu ähnlichen Filmen findet. Es wird auch zunehmend erwartet, dass man beispielsweise zu einem Interviewtermin ein Tonband, Fotohandy oder eine Digitalkamera mitnimmt, damit es in jeder medialen Form erscheinen kann.

Claudia Lenssen: Bei critic.de leisten junge Autoren eine sehr professionelle Arbeit. Gilt die Vermu­tung noch, dass das Internet vor allem eine Möglichkeit ist, den Fuß in irgendein Printmedium zu bekommen?

Frédéric Jaeger: Es ist natürlich interessant, in unterschiedlichen Medien und Kontexten zu publizieren. Selbstverständlich hat man das Ziel, Filmkritik nicht nur aus Leidenschaft zu betreiben, sondern irgendwann damit auch seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Nach wie vor gibt es im Printbereich wegweisende Publikationen. In Deutschland sind das vorwiegend die großen Feuilletons, im Ausland vor allem Fachzeitschriften, bei denen zu publizieren interessant wäre. Wenn wir vom Berufsbild sprechen, wäre es zunächst einmal logisch, dass man dafür bezahlt wird. Aber würde man einem Kritiker bei der legendären französischen Zeitschrift Positif absprechen, ein Filmkritiker zu sein, nur weil er dort nicht bezahlt wird? Das Berufsbild ist heute sehr schwer zu definieren, man müsste andere Konzepte dafür finden.

Ines Walk: Ich würde mich weniger als Filmkritikerin, sondern als Filmpublizistin bezeichnen. Denn ich mache ganz verschiedene Dinge, Kritiken lesen, Datenbanken füllen, Stabangaben recherchieren, Bilder hochladen, Trailer einstellen: lauter Tätigkeiten, die gar nichts mit dem Schreiben zu tun haben, film-zeit.de ist eine Meta-Kritik-Seite, die darstellt, was im Feuilleton und nun auch im Internet geschieht, da muss ich nicht selber schreiben. Bei moviepilot.de geht es darum, eine Community aus Kritikern und Usern zu schaffen. Das Ziel der Seite ist es, ein Äquivalent von Rotten Tomatoes in Deutschland zu werden, wo die User Seiten von Kritikern anklicken und schauen, ob sie mit deren Geschmack übereinstimmen. Zugleich sollen Kritiker aus Printmedien die Angst vor den Usern verlieren. Dabei treffe ich keine Unterscheidung zwischen Print oder Internet, wo ich auf vielen Seiten Kritiken entdecke, die diesen Status verdienen. Übrigens kann ich von dieser Arbeit auch nicht leben. Wenn es danach ginge, hätte ich schon längst aufgeben müssen. Film-zeit. de deckt gerade einmal die Kosten.

Gerhard Midding (aus dem Publikum): Dieses ökonomische Missverhältnis entsteht gewiss auch daraus, dass die Allgemeinheit vermutet, Filmkritik sei eher ein Hobby als ein Beruf. Wir machen etwas, das andere als Freizeitvergnügen betrachten: Filme sehen und über sie nachdenken. Man unterstellt uns, der Lustgewinn sei schon so groß, dass wir eigentlich nicht mehr dafür bezahlt wer­den müssten.

Ines Walk: Bei moviepilot gibt es ja viele ausführliche Kommentare von Usern, die zu den professi­onellen Kritiken Stellung nehmen. Unser Ziel ist es, noch mehr User-generierte Inhalte zu schaffen, sie noch stärker zu ermutigen, eigene Texte zu schicken. Das wird die Kritiker natürlich ganz böse ärgern. Dieses Schreiben über Film ist dann die reine Leidenschaft, die man nur im Internet ausleben kann.

Claudia Lenssen: Läutet das Internet so etwas wie ein Ende der Deutungshoheit der klassischen Medien ein? Müssen diejenigen, die an den alten Plätzen sitzen, sich damit abfinden und neu ori­entieren?

Thierry Chervel: Ich denke, dass sich zunächst einmal die Ökonomie radikal verändern wird. Ich will die Zeitung gar nicht totreden, ich denke, dass sie überleben wird. Aber niemand kann das wirklich absehen. Vor einem Jahr standen die großen Tageszeitungen noch prächtig da. Der Anzeigenmarkt der FAZ wurde wieder größer, die Auflage der Süddeutschen ging nach oben, Die Welt hat zum ersten Mal Gewinn gemacht. Aber wir wissen ja nicht einmal, wie es in drei Jahren sein wird, ob dann der Weg der Professionalisierung immer noch durchs Nadelöhr des Print führen wird. Momentan sind die Online-Bereiche noch eine sekundäre Werbequelle, wo das Subproletariat keine Tariflöhne bekommt. Da ist es natürlich der Traum jedes Redakteurs, zu den Printmedien aufzusteigen. Aber die sind eben nur eine Erscheinungsweise von Inhalten, die von Medienkonzernen produziert werden. Jedem, der heute anfängt und von Filmkritik leben will, würde ich sofort raten, ins Internet zu gehen, damit er sich im Netz unter all den Szenen und Milieus, die dort entstehen, einen Namen macht. Sich eine informelle Autorität, die ja eigentlich die wahre Autorität ist, erschreibt. Das wird ihm nutzen, weil er sich auch mit neuen Technologien auseinandersetzen muss und sich Fragen stellt, an die man früher nicht im Traum gedacht hat: Wie ist mein page rank bei Google?

Ines Walk: Ich denke, dass sich das Berufsbild dahin verändern wird und muss, dass jeder Kritiker für das Netz neue Fertigkeiten erlernt. Er sollte wissen, wie er einen Trailer für seine Seite umformatiert.

Frédéric Jaeger: Ich weiß nicht, ob es für den einzelnen Autor sinnvoll ist, über alle Technologien Bescheid zu wissen, die im Internet relevant sind. Er muss seinen page rank nicht kennen, oder die Häufigkeit, mit der sein Text angeklickt wird. Der große Unterschied für einen Online-Redakteur ist, dass er wahnsinnig viel über Statistiken erfahren kann. Ich denke aber, das ist für den einzelnen Autor eher gefährlich. Es gibt in den USA bereits Modelle, wo man nach den Aufrufzahlen von einzelnen Artikeln bezahlt wird. Wenn man nur danach geht, schreibt man natürlich ganz anders. Es hat notgedrungen einen Einfluss, wenn man über Statistiken Bescheid weiß – wie viele Sekunden waren wie viele User auf meiner Seite, welche Pfade haben sie verfolgt, was haben sie sich in welcher Reihenfolge angesehen. Ich lese diese Statistiken für unser Magazin, teile sie den Autoren aber nicht mit. Natürlich geht es darum, Leser zu erreichen, für ein Publikum zu schreiben. Aber deswegen darf man nicht außer Acht lassen, welche Form von Kritik man pflegen möchte. Über bestimmte Themen möchte man ja schreiben, weil sie einem am Herzen liegen, nicht wegen des Ranking.

Thierry Chervel: Ich bin dagegen, den Autoren zu verschweigen, wie oft ihr Artikel angeklickt wurde. Wir freuen uns über jeden Leser. Es ist aber auch nicht so, dass eine besonders hohe Nutzerzahl irgendeine ökonomische Relevanz hätte. Das Internet ist unendlich. Man sollte sich aber mit diesen Zahlen auseinandersetzen, weil man die Ambition hat, ein möglichst großes Publikum zu erreichen – und dann mit einem Qualitätsbegriff, den man verfechten möchte.

Frédéric Jaeger: Ich würde mich für das Gegenteil stark machen: das Schreiben für eine Nische. Die hat im Netz eine größere Bedeutung. Texte zu Themen, über die ohnehin viel geschrieben wird, gehen leichter unter.

Hanns-Georg Rodek: Natürlich ist das World Wide Web eine geniale Nische. Sollte, kann man sie messen? Ich bin da ziemlich gespalten. Qualitätsjournalismus darf sich nicht danach bemessen, was für Klickzahlen er hat. Das darf nicht die ers­te Erwägung sein. Der seriöse Filmjournalismus ist dem Gegenstand verpflichtet, nicht nur dem Publikum. Wenn er ein großes Publikum findet, ist das gut. Wenn er keines findet, müssen interessante Geschichten trotzdem stattfinden. Aber das neue Medium erlaubt, bei allem, was geschieht, die Resonanz zu messen. Und das birgt die Gefahr, unpopuläre, aber wichtige Geschichten zu verhindern.

Thierry Chervel: Der Perlentaucher bezieht sich durchaus noch auf die Fiktion einer allgemeinen Öffentlichkeit. Wir sind natürlich noch stark zentriert auf das, was die Printmedien machen. Zu­sammen mit den öffentlich-rechtlichen Sendern bilden die Zeitungen das, was man traditionel­lerweise die Öffentlichkeit in einer Gesellschaft nennt. Nischen sind gut und schön, aber es gibt auch wichtige Debatten, die öffentlich stattfinden müssen. Andererseits muss man festhalten, dass bestimmte Diskussionen in den herkömmlichen Medien nicht mehr geführt werden. Wenn man sich nur einmal anschaut, wie sich die Samstagsbeilagen hin zum Populären, Flockigen verändert haben, stellt man fest, wie sehr die traditionellen Medien einen Anspruch auf Qualität teilweise aufgegeben haben. Ein bestimmter Grad an Reflexion findet heute eher im Internet statt. Ich möchte aber nicht, dass das nur Nischen interessiert. Im Perlentaucher hatten wir zum Beispiel eine große Debatte über Islam in Europa, die tatsächlich europaweit wahrgenommen wurde. Wir wollten keine Nische von Islamwissenschaftlern erreichen. Man hätte auch eine scharfe Debatte darüber führen können, wie der RAF-Film von Eichinger lanciert wurde.

Claudia Lenssen: Man sollte wirklich einmal darüber nachdenken, wie solche Debatten auch von Verleiherinteressen kreiert, angeschoben werden. Ist in Zeiten des Hype, wo über bestimmte The­men oder Filme ungeachtet cineastischer Reflexi­onen ganz massiv publiziert wird, eigentlich noch investigativer Printjournalismus möglich?

Hanns-Georg Rodek: Es ist notwendig und theoretisch auch möglich. Natürlich möchten wir alle wichtigen Geschichten recherchieren. Das ist das Stichwort: Es bleibt immer weniger Zeit und Raum, zu recherchieren, weil die personelle Kapazität dazu abgebaut wird. Und die verbleibende Kapazität wird verbraucht, weil man für alle möglichen Dinge zuständig ist. Man muss Print und Online bedienen. Insofern stellt sich also nicht die Frage, ob Print diese Geschichten haben möchte. Nur geht die medientechnische Entwicklung in eine andere Richtung. Und den Rechercheaufwand der Freien bezahlen wir immer weniger. Da sind wir also wieder bei der Ökonomie.

Christoph Hochhäusler (Filmregisseur, aus dem Publikum): Ich möchte einmal die Frage stellen, weshalb die In­halte im Internet gratis sind. Der User gibt ja eine Menge Geld dafür aus, ins Internet zu kommen. Er kauft sich einen Computer, einen Breitband- Anschluss etc. All das macht er nur wegen der Inhalte. Aber warum kommt er dann umsonst daran – und deren Hersteller bekommen nichts? Das ist doch unlogisch. Wenn man den Markt weiterdenkt, müsste sich das doch eigentlich ändern.

Thierry Chervel: Das Problem liegt darin, dass die Digitalisierung den Inhalt von der physischen Kopie gelöst hat. Er wird dadurch extrem trans­portabel, wie die Musikindustrie jetzt erfahren musste. Er wird kopierbar und stellt alle bisherige Ökonomie kultureller Inhalte infrage. Das Copyright heißt nicht umsonst so. Google verdient ja Milliarden. Es gibt auch wissenschaftliche Konsortien, die viel Geld verdienen, obwohl die Informationen digital verfügbar sind. Aber man kann nicht einfach fordern, dass die User für die Inhalte bezahlen, weil man dann die Werbeeinnahmen verliert. Das kann man ungerecht finden, aber das Internet ist ein so radikaler Umbruch, wie es die Erfindung des Buchdrucks war. Wir haben es nicht nur mit dem Hinzukommen eines weiteren Mediums zu den bestehenden zu tun. Das lässt sich nicht mit dem Aufkommen des Fernsehens vergleichen, das dem Radio das Wasser etwas abgegraben hat.

Claudia Lenssen: Es gab oder gibt auch immer noch Modelle des Abonnements.

Frédéric Jaeger: Diese Konzepte sind bislang überall gescheitert. Es gibt bestimmte Abonnements für Informationen, die im Internet nur ein Anbieter bereitstellt. Allerdings ist fast alles, was Journalismus betrifft, inzwischen kostenfrei. Es gibt wenige Archive, die nicht geöffnet sind, aber das sind keine tragbaren ökonomischen Modelle. Wenn man über Film schreiben will, denkt man natürlich erst einmal pragmatisch daran, wie man die Leser erreicht. Man wünscht sich, dass sie die Artikel wegen ihrer Qualität entdecken. Aber sie dann dazu zu bringen, dafür zu zahlen, ist in diesem Medium aussichtslos. Das Interessante am Internet ist ja, dass zu jedem Film eine Unmenge unterschiedlicher Informationen und Kritiken zur Verfügung stehen – warum sollte man dann für eine einzelne bezahlen?

Hanns-Georg Rodek: Also ist die entscheidende Frage: Wie bringt man User dazu, für immaterielle Dinge wie Texte wieder etwas zu zahlen? Ich kann mir keine Welt vorstellen, auch keine virtuelle Welt, wo alles von Werbung bezahlt wird. Es wird also eine riesige gesellschaftliche Aufgabe werden, Wege zu finden, wie geistiges Eigentum wieder bezahlt wird.

Ulrich Gellermann (Redakteur des Webmagazins www.rationalgalerie.de, aus dem Publikum): Im Eingangsreferat wurde der Unterschied zwischen Journalis­ten und Kritikern so definiert, dass der Journalist ein Mittler ist und der Kritiker sich vornehmlich dem Gegenstand widmet. Das finde ich in dieser Radikalität falsch. Der Kritiker will auch gelesen werden, wenn es ihm nur um den Gegenstand ginge, könnte er es auch für sich selber schreiben. Aber er geht ja in die Öffentlichkeit.

Ekkehard Knörer (aus dem Publikum): Ich glaube schon, dass sich Leserschaften anders konstituie­ren, je nachdem, ob man von der Figur des Kritikers oder von der des Journalisten her denkt. Wir sind natürlich alle Mischungen daraus. Ich habe mit Absicht kein einziges Mal das Wort Nische verwendet. Wenn ich Teilöffentlichkeit sage, sind das immer solche mit einem Anspruch auf Allgemeinheit. Dieser Anspruch ist das, was zuallerletzt verschwinden darf, sonst gibt man jeden öffent­lichen Diskurs auf. Vielleicht sind Gesamtöffentlichkeiten aber immer nur die Fiktion von elitären Öffentlichkeiten, die glauben, für das Gesamte zu sprechen. Wenn man das im Netz jedoch aufspal­tet, kann man auch ganz andere Diskurszuflüsse haben, Schichten, aus denen sich Öffentlichkeiten ganz anders zusammensetzen.

Hanns-Georg Rodek: Wir haben es hier ja mit Medien zu tun, die es erst seit zehn oder fünfzehn Jahren wirklich gibt. Insofern befinden wir uns noch mitten in einer Umwälzungs- und Übergangsphase. Aus der Geschichte der Medi­en würde ich aber ableiten, dass es immer einen Konzentrationsprozess gegeben hat. Es wird ihn unausweichlich auch im Netz geben. Und wenn sich die Konzentration im Netz ausbreitet, wird es auch dort die so genannten Autoritäten geben, um die sich Diskussionen kristallisieren. Es kann noch niemand sagen, wer das sein wird. Im Moment ist das in Deutschland vielleicht Spiegel Online. Ich glaube nicht daran, dass die Öffentlichkeit sich in unendlich viele kleine Teile aufsplittern wird.

Gerhard Midding (aus dem Publikum): Dem widerspricht schon die globale Perspektive, die das Internet eröffnet. Wenn man bedenkt, dass einige der interessantesten Websites im Filmbereich in Australien oder Lateinamerika entstanden sind, gibt es doch eine relativ leicht zu nehmende Zugangsschwelle zur internationalen Wahrnehmung. Ich denke, dieser weltumspannende Charakter garantiert, dass die Pluralität der Stimmen erhalten bleiben wird.

Frédéric Jaeger: Durch das Internet entstehen bestimmte Filter. Der bekannteste und meistgenutzte ist die Suchmaschine. Aktuell ist es noch so, dass der Text das Element ist, das durch die Filter nach vorn drängen kann. Die großen Suchmaschinen durchsuchen nicht die Inhalte von Videos. In unserem Bereich können diese Filter aber auch Seiten sein, die verlinken. Es gibt die Möglichkeit, auf eine andere Seite zu gehen, um Informationen zu finden. Man möchte nicht mehr eine einzige, vertrauenswürdige Autorität, sondern unterschiedliche.

Ines Walk: Wir verbringen tatsächlich sehr viel Zeit mit der Suchmaschinenoptimierung, um die Texte, deren Qualität wir schätzen, stärker in die Öffentlichkeit zu bringen.

Einwurf aus dem Publikum: Die einzige Konzentration und Autorität, die wir im Moment haben, heißt Google. Alles was danach kommt, ist Teilöffentlichkeit.

Christoph Hochhäusler (aus dem Publikum):  Noch einmal: Der Zugang zum Internet ist nicht kostenlos. Was nicht funktioniert, ist die Umverteilung der Gewinne, die dort gemacht werden. Das ist etwas von dem ich glaube, dass man es politisch korrigieren muss.

Frédéric Jaeger: Es scheint mir utopisch zu denken, dass durch eine Umverteilung auf alle Publikati­onen und Autoren deren Arbeit im Internet refi­nanziert werden kann.

Christoph Hochhäusler (aus dem Publikum): Ich bin Regisseur und erhalte Abgaben von den Verwertungsgesellschaften Wort und Bildkunst. Durch sie müssten wir eigentlich auch Anteil haben an dem, was im Netz verdient wird.

Frédéric Jaeger: Die VG Wort hat das erst vor kurzem eingeleitet, ich weiß aber noch nicht, was dabei herauskommt.

Holger Twele (Filmkritiker, aus dem Publikum): Die VG Wort bezahlt aber erst nach mindestens 1500 Zugriffen im Verlauf eines Jahres. Darin sehe ich eine wichtige Aufgabe des Verbandes, das zu än­dern.

Thierry Chervel: Ich denke, die öffentlich-rechtlichen Sender und andere Institutionen, die mit Film zu tun haben, sollten ihre Seiten durchaus als Medien begreifen, in denen eine Auseinanderset­zung mit Film ermöglicht wird. Unsere Diskussion hat gezeigt, dass niemand auf das ökonomische Problem eine Antwort hat. Die Frage wird also sein: Wie stark wird die Gesellschaft es wollen? Es muss ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass die qualitative Auseinandersetzung mit Kulturinhalten sich nicht mehr von allein finanziert. Filmhochschulen und andere wissenschaftliche Institute müssten Foren schaffen, in denen man sich im Internet mit Film auseinander setzen kann.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis