Brevier 3: Der deutsche Film, seine Produzenten und das Publikum

Rohrbachs Kritik und die Realität an der Kinokasse: Das Beispiel Mein Führer
von Thomas Steiger

„Menschen gehen nicht in ‚gute‘ Filme, sie gehen in Filme, die sie interessieren, und sind dankbar, wenn sie auch noch gut sind.“ – Bleibt nur eine Frage: woher weiß man, ob ein Film, ob sein Thema genügend Zuschauer interessieren, damit die Kosten wieder rein kommen?

Die Antwort heißt: man weiß es eben nicht und wenn es sich um einen deutschen Film handelt, dann ist die Antwort auch nicht relevant, weil Produzenten deutscher Filme auch ohne Zuschauer Geld verdienen. Filmförderung und Fernsehfinanzierung machen es möglich. Fairerweise muss natürlich gesagt sein, dass es ganz so einfach nun auch wieder nicht ist. Doch prinzipiell ist bei deutschen Produzenten nicht das Publikum das Maß aller Dinge, sondern das Kalkül, einen Film künstlerisch so anspruchsvoll zu gestalten, dass man damit sein Standing bei den staatlichen Geldgebern so festigt, dass sie das nächste Mal erneut Geld geben – oder aber doch einigermaßen erfolgreich ist, damit sich über Kino- und DVD-Einnahmen genauso Geld verdienen lässt wie über die sogenannte Referenzförderung.

Der Urheber des Eingangszitats, Günter Rohrbach, der zweifelsohne viel für den deutschen Film getan hat, damit auch viel Geld verdiente, aber davon nichts mit deutschen Produktionen aufs Spiel setzte, hatte sich im Januar 2007 im „Spiegel“ in einer nicht gerade stringent geschriebenen Polemik gegen die deutschen Filmkritiker eingeschossen, in der er ihnen vorwarf den publikumsaffinen deutschen Film niederschreiben zu wollen, weil sie als „schmollende Autisten“ nur persönliche Ziele verfolgten. Dabei vergaß er jedoch, dass es am Filmproduzenten liegt, publikumsaffine Filme zu schaffen – nicht hingegen Aufgabe des Filmkritikers ist, sie herbei zu schreiben. Günter Rohrbach gehört da zu den glücklicheren Produzenten, doch hat er im Verbund mit seinen Kollegen versäumt, eine starke, visionäre Kinofilmproduktionsbranche in Deutschland aufzubauen – warum auch? Die Förderung verlangte jahrelang keine Zuschauer und auch jetzt tut sie das nicht wirklich. Fernsehen ist zudem sehr viel attraktiver und lukrativer und ersetzte auch durch Rohrbachs Bemühungen das genuine Erleben eines Films im Kino, was dazu führte, dass in Deutschland der Kinobesuch pro Kopf gesehen der niedrigste in der EU ist – nämlich unter 2 mal pro Jahr.

Zeitgleich – das nur zur Erinnerung – wandte sich Regisseur Dani Levy in einem offenen Brief in der „Welt am Sonntag“, der sich wie eine nachträglich zurecht gedrechselte Begründung las, an sein potentielles Publikum, weil ihn die Filmkritik für seinen Film Mein Führer verdroschen hatte. Darin hieß es: „Von oben herab und ziemlich schulmeisterlich wurde fast alles ins Feld geführt, was Ihre Lust vernichten könnte, in den Film zu gehen.“ Doch diese Lust wurde entgegen Levys Behauptung gerade durch die Kritiker geweckt, deren Texte die Zuschauer auf den Film neugierig gemacht hatten. Dem Film selbst gelang das offenkundig nicht. Blicken wir auf die Zahlen: Mein Führer erlebte mit 350.000 verkauften Eintrittskarten ein grandioses Startwochenende. Am Wochenende darauf verlor der Film 50 Prozent, am dritten Wochenende verlor er noch einmal 50 Prozent. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass der Zuschauer der Kritik recht gab und es im Bekanntenkreis weiter erzählte, dass der Film sein Eintrittsgeld nicht lohne. Ein anderer Film hingegen machte das Gegenteil vor: Wer früher stirbt, ist länger tot. Von der Kritik gelobt, vom Publikum langsam entdeckt. Nach 24 Wochen hatte sich der Film 1,4 Mio. Zuschauer durch Mundpropaganda erarbeitet.

Allen Erfolgen, Misserfolgen und Enttäuschungen, die den Filmemachern vom Publikum, von der Kritik oder den Kollegen beigebracht werden, wenn sie jemand Anderen beim Deutschen Filmpreis die hochdotierte Lola zusprechen, liegen Produzentenentscheidungen zugrunde. Die Verantwortung für Fehlentscheidungen auf die Überlaunigkeit von Kritikern zu schieben, beweist lediglich geringe Souveränität, mit der das eigene Scheitern an hohen Ansprüchen oder falschen Versprechungen an das Publikum, kaschiert werden soll. Denn wenn Hype und Entwicklung der Zahlen von Mein Führer eines beweisen, dann dass letztendlich die Macher selbst Schuld sind, wenn ihr Produkt auf dem Markt nicht den in sie gesetzten Erwartungen entspricht.

Thomas Steiger
© VdFk 2007

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